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Laszlo Lekai ist tot

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Ungarisches Temperament hatte er durchaus: Wenn dem am Montag im 77. Lebensjahr verstorbenen Primas von Ungarn, Kardinal Laszlo Lekai, etwas nicht gefiel, dann konnte er schon mit der Hand auf den Tisch schlagen und in seinem unnachahmlichen Tonfall ausrufen: Hören Sie mal!

Seine Kritiker unterstellten dem Primas, daß er gegenüber seinen „Dialogpartnern“ im staatlichen Kirchenamt viel zu selten auf den Tisch schlug. Dem einstigen Sekretär des unbeugsamen Kardinals Mindszenty wurde allzu große Konzilianz gegenüber den Loyalitätsansprüchen von Partei und Regierung unterstellt.

Worauf Lekai setzte, das war die oft von ihm beschworene „Politik der kleinen Schritte“. Im Rahmen dieser Politik konnte der Freiraum der Kirche in den zehn Jahren, in denen Lekai Erzbi-schof von Esztergom und Primas Hungariae war, erweitert werden. Eine stattliche Reihe von Erfolgen war zu verbuchen: Zum Unterschied etwa von der CSSR ist die hierarchische Struktur der Kirche in Ungarn intakt, neue Kirchen können gebaut werden, in Leanyfalu wurde ein Exerzitienhaus errichtet, das die Funktion einer zentralen Bildungsstätte für die engagierten katholischen Laien übernommen hat.

Zwei beachtliche „kleine Schritte“ erfolgten erst in al-lerjüngster Zeit: Absolventen der Budapester theologischen Fernkurse für Laien können in der Seelsorge eingesetzt werden, ein neuer Frauenorden soll im sozial-kaHtativen Bereich aktiv werden.

Kardinal Lekais Motto als Erzbischof von Esztergom lautete „Der beschnittene Baum grünt wieder“. Daß die neuen Triebe des Baums der Kirche nicht zu kräftig aufstreben, dafür sorgt die Taktik des staatlichen Kirchenamts, das trotz „geordneter Beziehungen“ zwischen „Arbeitermacht“ und Kirche zum Beispiel nicht darauf verzichtet, in jeder kirchlichen Schlüsselstelle seine „Vertrauten“ sitzen zu haben.

Manchen neuen Trieben vermochte auch der Primas selbst nichts abzugewinnen, vor allem jenem Teil der ungarischen „Basisgemeinden“, der für die Wehrdienstverweigerung optiert.

Er, der sich immer in erster Linie als praktischer Seelsorger verstand, scheute direkte Konfrontation mit dem Staat. Gerade als Seelsorger glaubte er Stärke und Schwäche des ungarischen Katholizismus angesichts des Zangengriffs von atheistischer Staatsdoktrin und Verlok-kungen der „Konsumgesellschaft“ realistisch einzuschätzen.

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