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Lebenszeichen

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Die neuen Gedichte der Erika Mitterer, gesammelt unter dem Titel „Klopfsignale“, tragen den vollen Klang der älteren weiter. Der dichterische Atem ist ungebrochen, er bleibt im „Windschutz der Unsterblichkeit“. Die unverbrüchliche Standfestigkeit, diese nicht auflösbare Bindung von Werk und Leben, ergreift. Sie bezeugen auf eine unwiederholbare, weil individuell geprägte Art die Unverwundbarkeit des dichterischen Wortes. Die so oft beschworene gesellschaftliche Auflösung, ihre Umfunktionierung und angestrebte Veränderung können ihm nichts anhaben, vermögen seine Strahlkraft nicht zu brechen, die Helligkeit nicht zu verdunkeln.

Die Wandlungen blieben nicht aus. Sie folgten der natürlichen Spur, sie kamen vom Kern ihres Wesens. Erika Mitterer hat sich niemals fortbewegt vom Quellgrund unseres Daseins, aus dem alles kommt, was uns beengt und befreit. Durch die Wandlungen schimmert unverwelkt das Beständige. Der Weg, den sie zurückgelegt hat, führt durch ein Leben, aber der Beginn bleibt, wie das Ziel, unverrückbar im Blick. Die Stationen, die durchschritten wurden, sind Zeichen, die das immerfort Lebendige anzeigen. Was da aufbewahrt wurde, im Gedicht, ist das Leben selbst, die Hoffnungen und die Ängste, die Mühsal und die Erfüllung, die Liebe und das Leid, die Ahnungen und die Gewißheiten, alles, was den Menschen von innen her ausmacht und bewegt. Die Anfechtung und der Trost, sie kommen aus dem Lebensgrund.

Die früheste Ausfahrt ist noch im Gedächtnis. Die makellose Beschwörung der griechischen Antike mit der unvergeßbaren Nausikaa, die Ausfahrt ins Jetzt und Hier, daseinsfromm der irdischen Stunde zugekehrt, der Natur, dem Geschöpf, und von wem, der ihn einmal vernommen, wäre der Klang von so zau- brischen Gebilden wie „Tröstliche Nacht“, „Anemonen“ oder „Hüttenrast“ wohl jemals gewichen? Es hatte jedes seine, dem Leser sich einverwandelnde Macht. Niemals fehlte, auch im Überschwang nicht, die Ernsthaftigkeit dessen, der bewußt zu leben gelernt hat, weil er weiß, es werde das Geheimnis, dem er sich anzunähern versucht, für immer verschlossen bleiben.

Die Freiheit, die man dichtend erringt, gewann sich damals leichter als heute, und die Gewichte der Gegenwart belasten sie schwerer als andere. Aber sie weicht dem Druck nicht. Der wahre Dichter trägt sie auch für uns. Da stehen wir aber auch vor dem Wort „Hoffnungsfeuchte“. Es ist, als bräche mit einem Mal Licht herein und erhelle die Nacht. Und wir wissen plötzlich; wer so wie Erika Mitterer in der Helligkeit des Beständigen einherwandelt, überwindet das Alter und den Tod. Und gewinnt den Menschen, heute wie morgen.

KLOPFSIGNALE. Von Erika Mitterer. Verlag Jugend und Volk, Wien. 88 Seiten.

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