6822743-1973_46_11.jpg
Digital In Arbeit

Schlichtheit und Effekthascherei

Werbung
Werbung
Werbung

Vergleicht man eine Filmpremierenwertung mit der anderer kultureller Ereignisse, etwa von Theater-' Premieren, so schneidet das Kino keineswegs schlechter ab: es gibt durchaus jede Woche zumindest einen Film, den man sich mit Gewinn ansehen kann. — Das filmische Ereignis dieser Woche ist eine in Originalfassung belassene Roman-verfllmung des französischen Dichters Jean Pierre Jouve, eines Anhängers Freuds und der Psychoanalyse, der 1924 zum Katholizismus konvertierte und ein Jahr später „Paulina 1880“ veröffentlichte, woraus der junge Jean-Louis Bertucelli als sein zweites Filmwerk eine ebenso würdige wie ruhig-schöne Bildfassung schuf. Der Mitdenkbereitschaft voraussetzende Film erzählt von einer unangepaßten jungen Frau in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in patriarchalischem italienischem Patriziermilieu aufwachsend, die — in das unlösbare Dilemma von Liebe und Schuld verstrickt — schließlich auch im Klosterleben keine Ruhe findet, das Leben ihres Geliebten und damit ihr eigenes zerstört. Der Film, über den sich sowohl thematisch als auch psychologisch und nicht weniger gestalterisch eine Abhandlung schreiben ließe, verinnerlicht sich von farbenprächtiger Fülle in den Anfangsszenen zu einem intimen Drama der menschlichen Seele, das Assoziationen zu einem Kreuzweg hervorruft. Ob eine Empfehlung dieses so stillen Films etwas nützen wird? Ein Ziel, aufs Innigste zu wünschen ...

Für Cineasten und Anhänger des berühmten Western-Regisseurs Sam Peckinpah {„Sacramento“) interessant und sehenswert, wenn auch aus anderen Gründen, ist dessen jüngste, leider immer bewußter auf Darstellung von Brutalitäten aufgebaute Wildwestballade „Pat Garrett jagt Billy the Kid“. Hier ist zu entdecken, wie Peckinpah Ohne Rücksicht auf historische Wahrheit (über Billy the Kid, den legendären We-stern-Outlaw, gab es schon eine Unzahl Filme, die geschichtlich authentischer waren, manche sogar besser!) seinen eigenen „Mythos“ aufbauend, sich selbst ein filmisches Denkmal setzt: seine Darstellung des „sterbenden Westen“, sein ständiges Hauptthema, ist garantiert noch realistischer, noch grausamer, noch schmutziger, dabei aber stets bildästhetisch noch „schöner“ als alles, was vorher auf diesem Gebiet zu sehen war — so will Peckinpah in die Filmgeschichte eingehen... Da lob' ich mir (den bereits in der Vorwoche besprochenen) „Tschetan, der Indianerjunge“', der keinerlei derartige Tendenzen aufweist, vielleicht etwas weniger „realistisch“, dafür aber menschlich ungleich wertvoller ist...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung