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Wie der Kanzler auf den Hund gekommen ist

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Eines der schönsten Schlösser Böhmens, Worlik, und Klingenberg, die „Königin der böhmischen Burgen", verbindet nicht nur die Moldau, sondern auch ein vertrauter Name: Schwarzenberg.

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Eines der schönsten Schlösser Böhmens, Worlik, und Klingenberg, die „Königin der böhmischen Burgen", verbindet nicht nur die Moldau, sondern auch ein vertrauter Name: Schwarzenberg.

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Weit schweift der Blick über die aufgestaute Moldau und die dunklen, fast schwarzen Nadelbäume an den Hängen der einstmaligen Schlucht. Hoch am blauen Firmament kreist ein Raubvogel, beständig und zielbewußt.

Eine Idylle bietet sich dem Beschauer vom Söller des Schlosses Worlik, heute Wasserschloß, vor wenigen Jahren noch hoch oben auf einem Felsvorsprung über der Moldau gelegen. Hätte ich nicht noch das Bild des Schlosses vor Errichtung des Staudammes und der Anlage des künstlichen Sees am Fuße des Burgberges gesehen, sein Name wäre mir unverständlich geblieben. Die tschechische

Namensgebung spricht von „Orlik", was auf deutsch so viel wie „kleiner Adler" oder - poetischer - Junger Aar" bedeutet.

Schloß Worlik gehört sicherlich zu den schönsten Schlössern in Böhmen. Es ist nach der Restitution nunmehr wiederum im Privateigentum der Schwarzenberg (Karl, Kanzler des bisherigen Präsidenten Vaclav Havel). Die gesamte Anlage - Park, Schloß und Schloßgaststätte - atmet buchstäblich den Geist der alt-österreichischen Adelsfamilie: frisch renoviert, die Parkanlagen gepflegt und mit einer Gastlichkeit, wie sie uns vertraut erscheint. Das Schloßrestaurant ist im ehemaligen Pferdestall liebevoll installiert und bietet beste böhmische Küche unter österreichischer Leitung. Schloß Worlik ist - wenn man so will - ein Familienmuseum der Schwarzenberg, insbesondere des Generalissimus, Fürst Carl zu Schwarzenberg. Zum Schloßrestaurant erzählte uns der Kanzler, der seine Kindheit bis zum Jahre 1948 hier auf dem Schloß verbracht hatte, er habe seinem Lieblingshund „Tory" zum Andenken (er trieb sich leidenschaftlich gerne beim Pferdestall herum) das Restaurant „U Toryka" benannt.

Seit 1719 Familienbesitz

Schloß Worlik befindet sich seit 1719 (mit der Unterbrechung von 1948 bis 1991) im Besitz der Schwarzenberg. Im Jahre 1802 wurde es Sitz der SchwarzenbergschenSekundogenitur, an der Spitze der Sieger über Napoleon bei Leipzig, Marschall (Generalissimus) Carl zu Schwarzenberg (1771-1820). Seine Witwe Anna, genannt Fürstin Nanni, war dafür verantwortlich, daß ein Adalbert Stifter in dem Wiener Kreis Eingang fand, wo er sich als Vorleser in den Fami-

Iien des Hochadels einen Namen machte. Von 1849 bis 1860 wurde das Schloß neugotisch umgestaltet und bekam seine heutige Gestalt. Aus dieser Zeit stammt auch die Schwarzenberg-Gruft samt neugotischer Kirche im Park.

Eine geruhsame Wanderung durch den Schloßpark sollte unseren Aufenthalt in Worlik beenden, galt es doch das nächste Reiseziel zu erreichen, die wenige Kilometer moldau-aufwärts - ebenfalls am Stausee gelegene - Burg Klingenberg (Zvfkov).

Nahe dem Erholungsort Zvfkovske" Podhradi liegt Burg Klingenberg, einst die „Königin der böhmischen Burgen" genannt. Die Worliker Talsperre, die auch die unter der Burg einmündende Wottawa erfaßt, hat Klingenberg viel von seiner romantischen Lage genommen. Die Burg wurde auf einen vorchristlichen, keltischen Burgwall von Pfemysl Ottokar I. im Jahre

1234 und später unter Wenzel I. und Ottokar II. auf rautenförmigem Grundriß großzügig von der Piseker königlichen Bauhütte ausgebaut. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde sie teilweise dem Zeitstil angepaßt.

Die Anlage verwahrloste nach dem Dreißigjährigen Krieg, im 18. Jahrhundert verwüstete sie ein Feuer, das Klingenberg 100 Jahre unbewohnbar machte. Erst 1880 waren es die Schwarzenberg, die Marchetti den Auftrag gaben, die Burg zu restaurieren und aufzubauen. 1947 wurde Klingenberg verstaatlicht und zum Nationalen Kulturgut erklärt. „Die schöne Architektur von Klingenberg gipfelt im dritten Viertel des 13. Jahrhundert in der Burgkapelle, in welcher auf dem kleinen Raum fast alles konzentriert ist, womit die Frühgotik die Masse zu gliedern verstand. Im Reichtum und den reifen Formen dieses Systems, das die Wände der Kapelle

gliedert und ihre Masse aufleichtert, schuf die königliche B auhütte auf dem Boden Südböhmens ihr vollendetstes Werk, in welchem wir bereits eine Vorahnung der klassischen französischen Gotik fühlen" (Denkstein-Ma-touä).

Man muß vom Parkplatz einen kleinen Fußmarsch von etwa zehn Minuten auf sich nehmen, bevor man die imposante Kulisse von Klingenberg von der Schmalseite her durch das Piseker Tor betreten kann. Die Burg öffnet sich neben dem massigen Markomannenturm (Markomanka oder auch Hlizovä vez = Beulenturm genannt) in einen zweistöckigen gotischen Arkadenhof, gefolgt von einem prachtvollen Palast mit einzigartigen Fresken (Kurfürsten-Fresko, Schutzmantelmadonna). Die Wandmalereien stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und sind für unsere Breiten von einer einmaligen Brillanz und Farbigkeit, die man ansonsten nur weiter im Süden findet.

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