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Zweierlei Naivität

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Was eigentlich kaum für möglich gehalten wurde, ist doch eingetre- ten: Liliana Gavanis monströser

Kolportagereigen einer kompletten psychopathia sexiualis — noch dazu (ja, wo eigentlich sonst?) in Wien spielend — ist doch über die Grenzen zu uns gedrungen und jeder kann nun auch in Wien die garantiert ungekürzte Fassung von „Der Nachtportier“ sehen. Diese erstaunliche Ragisseuse („Galileo“, „I canni- bali“, „Milarepa“), die Pasolini zu seinem „Matthäusevangelium“ beeinflußt haben soll, bricht hier in schok- kierendster Form alle Tabus, wozu sde den Trick gebraucht, das Geschehen am SS-Milieu, im und nach dem Krieg, spielen zu lassen. Doch die Bewältigung des nationalsozial i- sitischen Mythos ist überhaupt nicht die Absicht der Oavani, sie benutzt ihn nur zur Demonstration der absoluten Hörigkeit im grenzenlosen sexuellen Bereich… Unsere grotesk naive und schon geradezu köstlich-komische Prädikatisierungs- kommission verweigerte nun gerade mit der Begründung „unbewältig- ter NS-Vergangenheit und Hörigkeitsmathematik“ jedes Prädikat — zweifellos, „Der Reigen“ war sicher auch für jeden Dummen zu verstehen! Es gäbe nun wirklich genug Gründe, dem Film seine Anerkennung zu versagen, vor ihm zu warnen und ihn zu fürchten, aber genau die beiden zu finden, die nach internationalen Kriterien nachweisbar als am wenigsten stichhältig gelten müssen, ist wieder eine Spezialleistung dieses von Herz- manovsky-Orlando geschaffenen wackeren Häufleins von Beamten …

Ein entfernter Mitläufer der amerikanischen Polizistenwelle, der Copsmovies, ist der einer authentischen Begebenheit aus dem Jahre 1969 nachgestellte • Pseudodokumen- tar-Thriller „Sugarland Express", eine ebenso spannende wie ausgezeichnet inszenierte und grandios dargestellte (besonders von Goldie Hawn, die einen „Oscar“ verdienen würde) Entführungsgeschichte. Erschreckend sind die Einblicke, die der Europäer in die amerikanische Mentalität erhält: nur eine so grenzenlos echte Naivität konnte die Atombombe, Vietnam und Watergate ermöglichen…

• Die Schülerin Mary Wigmans und Partnerin Harald Kreutzbergs, die nach 1936 in Amsterdam eine eigene Ballettschule leitete und nach dem Krieg an vielen großen deutschen Bühnen als Gastchoreographin tätig war, Yvonne Georgi, ist im Alter von 72 Jahren in Hannover gestorben. Einige ihrer Choreographien kann man als genial bezeichnen.

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