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mozaik

DISKURS
mozaik - © Illustration: Rainer Messerklinger

Marijans Erbe

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Als Großvater Ivo Tomic starb, erbte mein Vater ein Stück von Marijans Wald. Wenn Vater von Marijan und seinem Waldstück erzählt, beginnt er, von der unberührten Natur zu schwärmen.

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Als Großvater Ivo Tomic starb, erbte mein Vater ein Stück von Marijans Wald. Wenn Vater von Marijan und seinem Waldstück erzählt, beginnt er, von der unberührten Natur zu schwärmen.

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Ururgroßvater Marijan Tomic hatte es eines Tages satt, nur Fische und Oliven zu essen. Darum zog er in den 1870er Jahren vom kargen kroatischen Küstenort Mimice ins fruchtbare bosnische Hinterland. Unter den Osmanen beackerte Marijan als fleißiger kmet – eine Art Leibeigener – ein Feld. Nach 1878 wurde Bosnien Teil von Österreich-Ungarn. Die Monarchen vertrieben Marijans Lehnsherren und übergaben ihm das Land. So wurde der Ort Tomici in Zentralbosnien nach meinen Vorfahren benannt. Als Kind verbrachte ich dort jedes Jahr den Sommer. Tomici beginnt am Ende einer Waldlichtung und ist von Hügeln und kurvigen Straßen umgeben. Über eine Schotterstraße gelangt man hinauf zum Friedhof, wo Ururgroßvater Marijan begraben liegt. Sein ganzes Leben lang hat er sich von den fruchtbaren Böden ernährt und Tiere gehalten. Als Großvater Ivo Tomic starb, erbte mein Vater ein Stück von Marijans Wald. Wenn Vater von Marijan und seinem Waldstück erzählt, beginnt er, von der unberührten Natur zu schwärmen. Doch schon als Kind verstand ich nicht, wie man das Meer gegen einen Wald eintauschen konnte. Ich sehne mich nach der Küste, den Pinienbäumen und zirpenden Zikaden. Vor Fischgräten habe ich als Hinterwäldlerin aber Angst.

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