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mozaik

DISKURS
Kokolo - © Illustration: Rainer Messerklinger

Kokolo

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Diese Woche geht es in der Kolumne von Manuela Tomic um die Frage: Was passiert mit Tieren im Krieg?

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Diese Woche geht es in der Kolumne von Manuela Tomic um die Frage: Was passiert mit Tieren im Krieg?

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1988, in meinem Geburtsjahr, kauften meine Eltern einen Papagei. Sie nannten ihn nach dem Album einer ex-jugoslawischen Popgruppe: Kokolo. Auf dem Cover prangte ein blau-gelber Ara. Unser Kokolo war jedoch ein kleiner Nymphensittich. Sein Käfig stand neben dem Fernseher. Wenn Vater Abends mit einem Glas Rakija in der Hand fernsah, trillerte Kokolo und schielte mit geneigtem Kopf zum flimmernden Schirm. Vater vernahm die Nachrichten in Begleitung von Kokolos Pfeifen. Die schrille Papageien-Stimme mischte sich in die Reden der Nationalisten, die Krieg vorbereiteten. Synchron schimpfte Vater vom Sofa. Mit den Jahren wurde Kokolo lauter und Vater leiser. Als wir schließlich 1992 aus Bosnien flüchteten, blieb Kokolo zurück. Im österreichischen Ferhsehen sah Vater Bilder von zu Hause, begleitet von Worten, die er nicht verstand. Wochen nach unserer Ankunft wählte er die Telefonnummer unserer alten Wohnung und sprach mit unseren Nachmietern, einem alten Ehepaar aus Sarajevo. „Sie haben Kokolo nun freigelassen“, erzählte Vater aufgeregt. Wir sahen ihn mit fragenden Augen an. Nach einer Atempause fuhr Vater fort: „Er hat aufgehört zu pfeifen“.

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