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DISKURS
Zahnteufel - © Illustration: Rainer Messerklinger

Seelenrauch

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Wenn der Zahnteufel Großmutter quälte, zündete sie sich eine Zigarette an. Sie nahm einen Zug und blies ihre Backen auf wie ein Hamster. Der Zahn wurde taub, ihre Schmerzen schlummerten.

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Wenn der Zahnteufel Großmutter quälte, zündete sie sich eine Zigarette an. Sie nahm einen Zug und blies ihre Backen auf wie ein Hamster. Der Zahn wurde taub, ihre Schmerzen schlummerten.

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Wenn der Zahnteufel Großmutter quälte, zündete sie sich eine Zigarette an. Sie nahm einen Zug und blies ihre Backen auf wie ein Hamster. Der Zahn wurde taub, ihre Schmerzen schlummerten. Nicht nur Großmutter löste Probleme mit Zigaretten. Wenn Vater und seine drei Brüder in den Nachkriegsjahren über die Zukunft sprachen, rauchten sie eine Marlboro nach der anderen. Ihre Sorgen lösten sich im gelb flackernden Licht der Küchenlampe auf. Kein Wunder: Am Balkan bedeutet Tabak „duhan“ und Geist „duh“. Auf einem alten Familienfoto sitze ich auf den Schultern meines Onkels, der Rest der Familie wird vom Qualm umnebelt. Ein Zwerg auf den Schultern von Rauchern. Der „Seelenrauch“ hat am Balkan eine lange Tradition. Schon mein Urgroßvater rauchte „lula“, die Pfeife der Bauern im 19. Jahrhundert. Den Tabak spendeten die Osmanen, Kaiser Franz Joseph baute Zigarettenfabriken am Balkan. Im Kommunismus warb Tito mit einer verführerischen rauchenden Genossin für die neuesten Marken. Auch Mutter nahm hin und wieder einen Zug. Ich selbst liebte Kaugummizigaretten, habe aber noch nie an einer echten gezogen. Ich versuche einen kühlen Kopf außerhalb der Rauchwolken zu bewahren. Dennoch lebt der osmanische Seelenrauch in mir fort und der Zahnteufel leider auch.

FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet.

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