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mozaik

DISKURS
Brotzeit - © lIlustration: Rainer Messerklinger

Brotzeit

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Am Balkan isst man zu jeder Speise Brot. Deshalb ist es der Geschmack meiner Kindheit.

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Am Balkan isst man zu jeder Speise Brot. Deshalb ist es der Geschmack meiner Kindheit.

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Großvater Ivo begrüßte seine Gäste immer mit Weißbrot. Als Kind stibitzte ich mir gerne eine Schnitte. Ich tunkte sie in Leberpastete, die „Pašteta“. Der bittere Geschmack der Leber und Großvaters süßes Brot gravierten sich in meine Zunge. Der fluffige Fladen war weich wie Zuckerwatte. In den Sommern am Balkan verschlangen wir so viel davon, wie wir nur konnten, und mein Bauch blähte sich wie ein Ballon. Von diesem Gebäck hatten wir in Ex-Jugoslawien mehr als genug, denn am Balkan isst man zu jeder Speise Brot. Längst habe ich mir das abgewöhnt. Doch als ich vor kurzem an einer bosnischen Bäckerei in Brigittenau vorbeiging, lief mir das Wasser im Mund zusammen. Großvaters Laibe lagen wie Skulpturen in allen Ausformungen in der Vitrine. Ich kaufte eine „Ruža“, eine Brotrose, die sich aus vielen kleinen gerollten Schneckchen zusammensetzt. Zu Hause brach ich ein Stück ab und ließ es in meinem Mund zergehen. Großvaters Zuckerwatte, der Geschmack meiner Kindheit, kehrte zurück, die Blähungen leider auch.

FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet.

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