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mozaik

DISKURS
mozaik - © Illu: Rainer Messerklinger

Brautstrauß

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Glitzernde Bonbons regneten in den Staub, wie Tauben pickten Kinder sie auf. In einem abgelegenen Waldstück posierte die aufgeplusterte Braut, ehe das Essen in einer unverputzten Garage serviert wurde.

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Glitzernde Bonbons regneten in den Staub, wie Tauben pickten Kinder sie auf. In einem abgelegenen Waldstück posierte die aufgeplusterte Braut, ehe das Essen in einer unverputzten Garage serviert wurde.

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Mit dreizehn überlebte ich meine erste bosnische Hochzeit. Eine Kolonne weißer blumengeschmückter Mercedes schlängelte sich an Großvater Ivos Gasthaus vorbei. Der besoffene Bräutigam knallte mit seiner Pistole aus dem fahrenden Auto in die Luft. Zwei geschminkte Puppen lehnten sich kreischend aus dem Autofenster. Glitzernde Bonbons regneten in den Staub, wie Tauben pickten Kinder sie auf. In einem abgelegenen Waldstück posierte die aufgeplusterte Braut, ehe das Essen in einer unverputzten Garage serviert wurde. Verschüchtert saß ich in der Ecke, trank Cockta und blickte in die aufgerissenen Augen des aufgespießten Lamms. Der berauschende Duft der Rakija und gespenstischer Zigarettenrauch versetzten die Erwachsenen in Trance. Sie stampften den Kolo, den slawischen Reigentanz, zu den dröhnenden Klängen von Tamburica und Harmonika. Als die Braut den Strauß werfen wollte, versteckte ich mich hinter meinem Vater. Er hielt meine kalten Hände. „Ich werde nie heiraten“, zeterte ich. Vater lächelte. Draußen leuchteten die Augen der Katzen, die Lammfett von den Plastiktellern schleckten. Der Brautstrauß brauste kometenhaft durch schwarze Himmel.

FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet.

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