Zwei Studien zu islamischen Kindergärten

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"So ergab die Studie von Henning Schluß, dass es zwar Tendenzen zur Exklusion gebe, diese aber nicht von den islamischen Kindergärten/-gruppen ausgingen."

Man könnte es als "unendliche Geschichte" ebenso katalogisieren wie unter "politisch instrumentalisierte Wissenschaft": Seit im Dezember 2015 eine -wie es heute heißt -"Vorstudie" des islamischen Religionspädagogen Ednan Aslan über fundamentalistische Tendenzen in Wiener islamischen Kindergärten veröffentlicht wurde, kocht die (mediale) Diskussion dazu -über islamisch-konfessionelle Elementarpädagogik an sich wie über die (Nicht-)Qualität der "Studie".

Im Sommer 2017, es war Wahlkampf, wurden Vorwürfe laut, Beamte des Integrationsministeriums hätten Schlussfolgerungen aus der später veröffentlichten, ausführlicheren Aslan-Vorstudie "nachgeschärft". VP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz forderte im Wahlkampf überhaupt ein Schließen aller islamischen Kindergarteneinrichtungen, und die Universität Wien ordnete eine Überprüfung an, ob Aslan bei seinen Arbeiten wissenschaftliches Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Im November wurden die Ergebnisse davon präsentiert, die Aslan im juristischen Sinn kein "Fehlverhalten" vorwarfen, seine Arbeiten wiesen laut den Gutachtern aber Mängel und nicht nachvollziehbare Schlussfolgerungen auf. Entgegen ursprünglicher Ankündigungen blockiert Aslan bis heute die Veröffentlichung des Gutachtens.

Im Zuge dieser Diskussion stellte sich heraus, dass -anders als bei von der Wirtschaft beauftragten universitären Studien -keine Qualitätskriterien für Studien vorliegen, wenn es sich um Aufträge aus der Politik oder dem Bereich der Politikberatung handelt. Die Leitung der Universität Wien versicherte, künftig für eine universitäre Qualitätskontrolle derartiger Studien vorzusorgen.

Keine Einigkeit über Methodik

Im Fall der Wiener islamischen Kindergärten, für deren Aufsicht die Stadt Wien zuständig ist, wurde Anfang 2016 eine ausführliche Studie von der Stadt Wien und dem Integrationsministerium in Auftrag gegeben. Leiter der Studie, die von der Universität Wien und der Fachhochschule Campus Wien erstellt werden sollte, war der Bildungsforscher Henning Schluß, auch Ednan Aslan sollte daran mitarbeiten.

Am 21. Dezember 2017 wurde die Studie "Wiener Kindergärten und Kindergruppen mit besonderen Bezügen zum Islam" präsentiert. Tatsächlich handelte es sich um zwei unabhängig voneinander erstellte Arbeiten - Henning Schluß und die beteiligten Forscher der FH Campus Wien legten Untersuchungen zur "Pluralität" in diesen Einrichtungen vor, Ednan Aslan befasste sich mit "Motiven und Strategien" der Kindergartenbetreiber bzw. den Erwartungen muslimischer Eltern. Wie die FUR-CHE aus dem Umkreis der Studienmitarbeiter erfuhr, hatten sich beide Forschungsgruppen vorab nicht auf gemeinsame methodische Standards und Kriterien verständigen können.

Im Projektbericht von Henning Schluß (Uni Wien) und Nina Hover-Reisner bzw. Maria Fürstaller (beide FH Campus Wien) sind jedenfalls die methodischen Parameter penibel aufgeführt -unter anderem wurde ein Fragebogen an alle Wiener Kindergärten und -gruppen verschickt, mit einer Rücklaufquote von 698 -mehr als 50 Prozent -wurde eine für diese Erhebungsweise ungewöhnlich hohe Datenmenge zur Auswertung erreicht. Aus diesen Angaben wurde das Design für Gruppendiskussionen und Beobachtungen einzelner Einrichtungen erstellt. Zusätzlich analysierten die Studienautoren die Handakten der Aufsichtsbehörden im Magistrat sowie einschlägige Gesetzestexte.

Wenig qualifiziertes Personal

Die Ergebnisse dieser -qualitativen -Untersuchungen erweisen sich in einigen Bereichen als überraschend. So ergab die Studie, dass es zwar Tendenzen zur Exklusion gebe, diese aber nicht von den islamischen Kindergärten/-gruppen ausgingen. So sei die Vergabe von Plätzen in städtischen Kindergärten oft an die Berufstätigkeit beider Elternteile gebunden, insbesondere Familien mit Migrationshintergrund erführen in den öffentlichen Einrichtungen eine undurchsichtige Aufnahmepraxis.

Was den Studienautoren rund um Henning Schluß auffiel, war, dass in den Einrichtungen mit besondern Bezügen zum Islam seit den Diskussionen ab 2015 eine verstärkte Herausnahme der Religion zu beobachten sei. Das ist nach Überzeugung der Studienautoren nicht nur deswegen problematisch, weil dies die Religionsfreiheit tangiert, sondern weil Religion ja nicht verschwände: Deren Vermittlung würde nur an andere Orte verschoben.

In Bezug auf qualifiziertes pädagogisches Personal stellt die Studie fest, dass es Mangelware ist -dies gelte aber keineswegs bloß für die islamischen Einrichtungen, sondern in Wiens Kindergärten generell. Auch bei der Sprachvermittlung wurden Defizite festgestellt, aber das sei ebenfalls kein Alleinstellungsmerkmal islamnaher Einrichtungen. Im Gegenteil berichtet die Studie, dass gerade diese ihre Integrationsarbeit betonen und darauf Wert legen, dass in ihnen nur Deutsch gesprochen werde. Henning Schluß wies bei der Präsentation der Studie aber darauf hin, dass fürs sichere Erlernen der Zweitsprache Deutsch eine gute Beherrschung der Erstsprache sehr wichtig sei.

"Schutzräume" für Muslime

In den von Ednan Aslan vorgestellten Untersuchungen zeigten sich widersprüchliche Ergebnisse. Als Gemeinsamkeit ortet der Islampädagoge, dass vor allem Eltern die islamnahen Einrichtungen als "Schutzräume für muslimische Kinder und Eltern" begreifen. Aslan konstatiert auch einen Wandel in der Förderung islamischer Kindergärten seitens der Stadt Wien, er forderte aber die Aufsichtsbehörden auf, ein besonderes Augenmerk auf eine nachhaltige Entwicklung zu haben, was bislang noch nicht zu erkennen sei.

Man darf davon ausgehen, dass die Diskussion um die Elementarpädagogik im islamischen Bereich mit diesen Studien längst nicht beendet ist. Und dass jedenfalls auch die Gemeinde Wien gefragt bleibt. Immerhin hat die Stadt bereits im September einen mit den Religionsgemeinschaften erarbeiteten Religionsleitfaden "Ethik im Kindergarten" erstellt. Der zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky kündigte aufgrund der Studien an, besonderes Augenmerk auf Sprachförderung und interkulturelle Kompetenz in den Kindergärten zu legen. Zur Vermittlung von Religion im Kindergarten will Czernohorszky zu einem runden Tisch der Religionsgemeinschaften laden -und verweist als Beispiel auf den religionspädagogischen Rahmenplan der St. Nikolaus-Kindergartenstiftung der Erzdiözese Wien. In diesem Sinn kündigte Carla Amina Baghajati, Frauenreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, einen derartigen religionspädagogischen Rahmenplan für den Islam an.

Susanne Heine, evangelische Religionspädagogin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Studie, fasst deren Ergebnis für die Radiosendung "Zwischenruf"(Sonntag, 7. Jänner, 6.55, Ö1) so zusammen: "Religion darf nicht auf den privaten Bereich oder die Religionsgemeinschaften beschränkt werden, denn in der pluralistischen Gesellschaft eines demokratischen Rechtsstaates stelle Religion ein Bildungsgut dar, das in allen Bildungseinrichtungen Thema sein sollte. Dabei geht es nicht nur um Wissen über die Religionen, sondern auch um die Kompetenz, mit Religionen und religiösen Menschen kundig und fair umgehen zu können." Ein überraschendes Ergebnis der Kindergartenstudie. Aber längst keine überraschende Erkenntnis.

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