Angst ist keine Lösung. Dialog schon.

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Die Mehrheit der Österreicher fürchtet sich vor dem Islam, sagt eine Umfrage. Auch die Muslime im Land sind gefordert, etwas dagegen zu tun.

„Manchmal wird gesagt, der Islam stellt eine Bedrohung für den Westen und unsere gewohnte Lebensweise dar. Halten Sie eine solche Behauptung für richtig oder falsch?“ 54 Prozent der Österreicher finden das richtig. Solches ergab eine Umfrage, die das IMAS-Institut im Auftrag des „Internationalen Instituts für Liberale Politik“ durchgeführt hat. Die Meinung zieht sich durch alle Bevölkerungsgruppen – Männer/Frauen, Ältere/Jüngere, Städter/Landbewohner – und ist auch unabhängig von der Parteienpräferenz. Einzige Ausnahme: Nur Grün-Affine finden den Islam als Bedrohung mehrheitlich falsch.

Noch dramatischer sind die Zahlen der Studie, die auf Interviews mit 1088 Befragten über 16 beruht, zur „Anpassungsbereitschaft“ der Muslime: „Wenn jemand sagt, die in Österreich lebenden Moslems passen sich zu wenig an unsere Lebensweise und die Spielregeln des Zusammenlebens an. Hätte der Ihrer Meinung nach recht oder nicht recht?“ – 72 Prozent der Österreicher sind dieser Meinung.

Halten also drei Viertel der Bevölkerung die Muslime nicht für „gesellschaftsfähig“? Zusätzlich meinen, so die Studie, weitere 71 Prozent im Land, dass der Islam mit den „westlichen Vorstellungen von Demokratie, Freiheit und Toleranz“ nicht vereinbar ist. Sitzt also die Angst vor dem Islam wirklich so tief? Und gibt es Gründe dafür?

Österreichs Muslime bestreiten Probleme mit der Mehrheitsbevölkerung keineswegs. Carla Amina Baghajati, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, verhehlt nicht, dass sie sich angesichts der Umfragedaten gefragt hat, ob die Muslime zu blauäugig über ihre Akzeptanz waren. Bei näherer Betrachtung der „erschreckenden Zahlen“ sei ihr aber die Art der Fragestellung aufgestoßen: Diese sei von „kolonialem Denken“ geprägt, daher wären die Antworten entsprechend. Zwar registriert auch Baghajati ein weitverbreitetes diffuses Unbehagen vor dem Islam, aber sie selber erfahre im Konkreten nach wie vor viel Dialogbereitschaft.

Von kolonialem Denken geprägt

Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien, findet die Formulierungen der Umfrage gleichfalls problematisch. Aber auch er sieht, dass es eine Grundsorge vor dem Islam gibt: „Viele Menschen haben vor dem Islam Angst, wie ihn die Medien darstellen.“ Auch er, Aslan, hätte vor so einem Islam Angst. Das sei aber, so Aslan, ein „Secondhand-Islam“, der dem österreichischen Kontext nicht entspreche. Es gehe vielmehr darum, den „Islam in unserer Nähe“ zu entdecken. Angst sei keine Lösung. Dialog dagegen schon.

Auch Carla Amina Baghajati nimmt im Gespräch mit der FURCHE die Medien in den Blick. Sie verweist auf eine Radiodiskussion mit Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz, bei der die Journalisten gut auf den Themenkomplex Verbotsgesetz vorbereitet gewesen seien; als Rosenkranz aber die IMAS-Studie zitiert habe, sei nicht einmal eine Nachfrage gekommen. Baghajati ortet eine „irrationale Sicht“ des Islams in der Öffentlichkeit, auch wenn es im privaten Umfeld wenig Probleme gebe.

Was kann gegen diesen Zustand getan werden? Die Sprecherin der Glaubensgemeinschaft setzt ebenso wie Uni-Professor Aslan auf Dialog: Die Glaubensgemeinschaft investiere verstärkt in Begegnung – etwa mit Schulklassen –,wo Ängste abgebaut würden. Baghajati kündigt für Mai auch eine europäische Imame-Konferenz in Wien an, wo zum dritten Mal (nach Graz 2004 und Wien 2006) sich Europas Islam der Öffentlichkeit stelle.

Ednan Aslan meint allerdings, dass die Muslime selbst ein gerütteltes Maß an Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen müssen. Eine dritte Imame-Konferenz, so seine Diagnose, löse das Problem nicht: Denn was sei mit den Beschlüssen der Konferenzen von Graz 2004 und Wien 2006 geschehen?

Eine neue Imame-Konferenz

Der Islam-Professor mahnt ein, dass die dort beschlossenen Ziele auch evaluiert werden müssten, sonst werde auch eine weitere Imame-Konferenz lediglich eine „freundliche Begegnung“ bleiben: Was sei in den muslimischen Gemeinschaften Europas in Bezug auf die Stellung der Frauen angegangen worden? Wurde eine Verbesserung der Sprachkenntnisse bei den Muslimen erreicht? Wie steht es um die Bildung von Muslimen? Was wird in den Moscheen gepredigt? Diese Fragen fanden bei beiden Imame-Konferenzen Eingang in die Schluss-Erklärungen. Der Wiener Islam-Professor vermisst eine Evaluation dieser Beschlüsse: „Das Tun ist entscheidend, nicht das Zusammenkommen“, stellt er fest, „sonst gehen die Ängste nicht weg.“

Er kritisiert zwar die Formulierungen der zitierten Umfrage, aber Ednan Aslan lässt keinen Zweifel offen: Auch die Muslime haben Anteil daran, dass dem Islam hierzulande solches Klima entgegenschlägt. Oder positiv formuliert: Die Muslime sollten sich den bisweilen harten, oft aber auch berechtigten Fragen der Gesellschaft stellen.

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