Dialog- und Integrationslotsen für Muslime

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In Wien fand vom 14. bis 15. Mai die dritte „Konferenz europäischer Imame und SeelsorgerInnen“ statt. Das Treffen des – nach Eigendefinition – Mainstream-Islam übte sich auch in kritischer Selbstreflexion.

„Muss der Islam verboten werden?“ Was im Titel auf Seite eins noch als Frage formuliert ist, wird in der Unterzeile apodiktisch klar: „Die Religion der Muslime ist mit der Bundesverfassung nicht vereinbar.“ Solches liest man zurzeit in Österreich – noch? – nicht. Aber dass die Schweizer Weltwoche nun gleich das Verbot einer ganzen Weltreligion fordert, zeigt, dass in Europa Dämme zu brechen beginnen.

Europas Muslime wissen um die Brisanz der Lage. In der Vorwoche kamen unter solchen Auspizien Imame und Seelsorger/innen in Wien zur dritten europaweiten Konferenz – nach Graz 2003 und Wien 2006 – zusammen. Auffallend viele Frauen waren diesmal dabei, und die federführende Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) hatte sich bemüht, dies auch bei den Referentinnen, Workshop- und Diskussionsleiterinnen sichtbar zu machen. Ein Zeichen auch in die eigene Realität hinein: Das Bewusstsein für die Präsenz von Frauen müsse in den Moscheegemeinden und Vereinen an der Basis noch stark gehoben werden, betonten die Vertreter der Konferenz bei der Abschlusspresskonferenz. „In vielen Gemeinden wird die Hauptarbeit von Frauen geleistet, aber oft von Männern präsentiert“, formulierte auch IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh selbstkritisch.

Kritische Selbstreflexion war neben dem Setzen von Zeichen ein zweites Merkmal der Konferenz. Auch Amena Shakir, Leiterin des Studiengangs für Islamische Religion an Pflichtschulen in Wien beklagte bei ihrem Vortrag, dass die Stellung der islamischen Frau „meist nicht dem Koran“ entspreche. Und Nadeem Elyas vom Zentralrat der Muslime in Deutschland „verwahrte“ sich bei der Pressekonferenz dagegen, dass die islamische Welt Europas Muslimen vorwirft, in der Frauenfrage Grenzen zu überschreiten – im Gegenteil. Elyas: „Die Situation der Frauen in vielen islamischen Ländern ist unislamisch!“

Andere Vortragende mahnten ein „Wir“-Bewusstsein der Muslime in Europa ein und monierten, dass dieses noch viel zu wenig ausgeprägt sei. Auch in der 15-seitigen Schlusserklärung der Konferenz wird – an die Adresse der Muslime gerichtet – eine „positive Teilhabe an der Gesellschaft“ gefordert.

„Koexistenz“ statt „Integration“?

Bei der Konferenz selber hatte die Islamwissenschafterin Nawal Sibai aus Spanien angeregt, nicht mehr von „Integration“, sondern von „Koexistenz“ zu reden. „Integration“, so Sibai, klinge zu sehr nach „Assimilation“, während „Koexistenz“ viel mehr das Zusammenleben im Blick habe. Auch die spanische Muslima mahnte ihre Glaubensgeschwister, die „europäische Gesellschaft als unsere Gesellschaft“ zu begreifen. Gleichzeitig räumte Sibai ein, dass dies die Mehrheitsgesellschaft selber nicht so sehe.

Derartiger Tenor war auf der Konferenz wie auch im Abschlussdokument omnipräsent. Denn die europaweite Burkaverbotsdebatte, aber auch das Minarettverbot in der Schweiz werden von den Muslimen als große Stolpersteine wahrgenommen. Ein Burkaverbot lehnten die Konferenzteilnehmer/inne/n rundweg ab – und zwar nicht, weil der Ganzkörperschleier verteidigt wurde, sondern weil ein Verbot desselben kontraproduktiv sei. Außerdem gebe es angesichts der wenigen Ganzkörperverschleierten keine Notwendigkeit der Diskussion darüber.

Offizielles Österreich sponserte

Die „Abgrenzung vom Islam als Mittel der Selbstdefinition“ werde zum politischen Mainstream, beklagt die Abschlusserklärung der Imame. Insbesondere der populistische Vorwurf einer „Islamisierung“ gebe subtil zu verstehen, „dass allein die Sichtbarkeit von MuslimInnen“ ein Angriff auf die Lebensweise der Mehrheitsgesellschaft sei. Das Dokument bleibt aber selbstkritisch und konstatiert auch eine „romantisierende Strömung“ innerhalb des Islam, die aber auch in Wechselbeziehung zu den populistischen Abgrenzungen der in den Mehrheitsgesellschaften stehe, denn, so die Erklärung, „gerade die ständige Vorhaltung des ‚Andersseins‘“ rege zum „Rückzug in eine idealisierte eigene Welt“ an.

Solche Erkenntnisse dürften in einem vernünftigen politischen Diskurs kaum ungehört verhallen. Vielleicht auch ein Grund, dass das offizielle Österreich die Konferenz unterstützte – Außenministerium und Stadt Wien firmierten als Sponsoren, der Bundespräsident übermittelte eine Videobotschaft. Und Außenminister Michael Spindelegger eröffnete die Konferenz mit der Aufforderung, Europas Imame sollten sich „als Dialog- und Integrationslotsen“ versehen.

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