Islam Landkarte - © Foto: APA / Georg Hochmuth

„Islam-Landkarte“: Achtung, Kartografen!

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Die Islam-Landkarte schaffte es sogar, Corona- und Chatskandale aus den Schlagzeilen zu verdrängen – Integrationskollateralschäden inklusive.

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Die Islam-Landkarte schaffte es sogar, Corona- und Chatskandale aus den Schlagzeilen zu verdrängen – Integrationskollateralschäden inklusive.

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Der UN-Kartograf Philippe Rekacewicz zitierte einmal einen Lehrer im Tschad, der zur Farbgebung afrikanischer Länder in europäischen Schulatlanten sagte: „Irgendwas stimmt nicht mit den Karten. Sie sind so bleich, so fahl. Man könnte meinen, sie seien krank.“ Für Rekacewicz zeigt dieser Kommentar, wie sehr Karten auch „Herrschaftsinstrumente“ sind. Da eine Karte sich nicht wehren kann, könne sie auch zum Propagandainstrument werden, und die Mächte in Wirtschaft und Politik „bedienen sich ihrer umstandslos, arrangieren hier und da die Wirklichkeit, um ihre Macht zu festigen oder uns ihre Sicht der Dinge einzuprägen“.

Die Proponenten der Islam-Landkarte hätten gut daran getan, diese Überlegungen des Kartografen ernst zu nehmen, bevor sie mit ihrer Landkarte eine bis Katar und New York reichende mediale Entrüstung, Warnschilderaktionen vor Moscheen und mit der Landkarte in Verbindung gebrachte Angriffe auf Muslime auslösten. Das Argument, die Karte sei ein alter Hut, seit bald zehn Jahren bereits in mehr oder weniger ausführlicher Form abrufbar, überzeugt nicht: So alt können Hüte nicht sein, dass sie nicht „aufgemaschelt“ und in neuem, anderen Kontext präsentiert brennen können.

Fehler lag in der Präsentation

Das Problem sei nicht die Islam-Landkarte an sich, sagt Heiko Heinisch, Islamismusforscher in Wien, sondern dass diese falsch präsentiert und dadurch politisch vereinnahmt wurde: „Der Fehler war die Präsentation.“ Einerseits sei dadurch der Eindruck entstanden, die Islam-Landkarte wäre ein Projekt der Dokumentationsstelle Politischer Islam – „das ist nicht der Fall“; und andererseits wurden durch diese Form der Präsentation alle angeführten Einrichtungen mit dem Titel politischer Islam in Verbindung gebracht. Heinisch ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Dokustelle Politischer Islam. 2017 hat er selbst ein Jahr lang im Rahmen eines Projekts der Uni Wien an der Erstellung der Landkarte mitgearbeitet. Im Gespräch mit der FURCHE berichtet er von Reaktionen, die zeigen, dass das Projekt durchaus auf Interesse gestoßen ist: So habe ein Millî-Görüş-Verein in Herzogenburg darauf gedrängt, nicht übersehen zu werden, sondern Eingang in die Karte zu finden. Oder Lehrkräfte nützten die Karte, um sich über einen Moscheebesuch für ihre Klassen zu informieren, und Journalisten für ihre Recherchen. Auch Einzelpersonen hätten angefragt, wo sie während ihres Urlaubs oder Kuraufenthalts eine passende Moschee in der Nähe finden könnten. „Lassen wir die Moschee im Dorf“, titelte in diesem Sinn ein Presse-Bericht über die Islam-Landkarte. In Buchform gebe es derartige Sammlungen immer wieder, „nur regt sich halt niemand darüber auf“, heißt es weiter. Als Beispiel wird das Buch „Zwischen Gottesstaat und Demokratie: Handbuch des politischen Islam“ von Dunja Larise und Thomas Schmidinger genannt.

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