„Islam-Landkarte“: Abschüssiges Terrain

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Die „Islam-Landkarte“ markiert den vorläufigen Tiefpunkt des politischen Umgangs mit Religion. Höchste Zeit, auf den Pfad eines – konstruktiv-kritischen – Miteinanders zurückzukehren.

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Die „Islam-Landkarte“ markiert den vorläufigen Tiefpunkt des politischen Umgangs mit Religion. Höchste Zeit, auf den Pfad eines – konstruktiv-kritischen – Miteinanders zurückzukehren.

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Kartenlesen will gelernt sein. Die Pfadfinder gelten darin ebenso als Meister wie die Naturfreunde oder die Profis von Freytag & Berndt. Fünf Tipps haben Letztere zur bestmöglichen Orientierung in unwegsamem Gelände formuliert: die richtige Karte wählen, die Himmelsrichtungen bestimmen, die Legende sorgfältig lesen, die korrekten Entfernungen ermitteln und natürlich allfällige Steigungen beachten.

All das könnte auch bei der Einordnung jener interaktiven „Islam-Landkarte“ hilfreich sein, die seit vergangener Woche für heftige Diskussionen sorgt. Gemeinsam mit Kultus- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) stellte die vor einem Jahr eingerichtete „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ eine Website vor, auf der über 600 islamische Vereine, Organisationen und Moscheen in ganz Österreich erfasst, exakt verortet und in ihrer Ausrichtung beschrieben werden.

Das Projekt ist nicht neu: Bereits vor zehn Jahren hat der islamische Religionspädagoge Ednan Aslan die Karte entwickelt – als durchaus hilfreichen, wenn auch keineswegs vollständigen und fehlerfreien Überblick für interessierte Laien. In Zusammenarbeit mit der Dokustelle wurde die Karte nun ergänzt, aktualisiert – und vor allem in einen neuen Kontext gesetzt: Durch die Präsentation unter ministerieller Patronanz wurde sie nicht nur einer breiten Öffentlichkeit bekannt, sondern auch politisch neu geframed.

Hermeneutik des Verdachts

Genau darin besteht freilich das Problem: So sehr Ministerin Raab auch beteuert, dass kein „Generalverdacht“ gegenüber allen Muslim(inn)en entstehen dürfe und stets zwischen Islam als Religion und Islamismus als Ideologie unterschieden werden müsse; und so sehr Ednan Aslan auch die positiven Leistungen von Organisationen betont, die auf seiner Karte nachzulesen seien: Angesichts der Ansiedelung des Projekts bei der Dokustelle für „religiös motivierten politischen Extremismus“ bleibt stets eine Hermeneutik des Verdachts. Dass das Impressum auch als Aufforderung zum Denunziantentum gelesen werden kann, macht das Projekt vollends unmöglich.

Nicht nur die Islamische Glaubensgemeinschaft, auch der lutherische Bischof Michael Chalupka und der Europarat fordern deshalb – mit Recht – das sofortige Offlinenehmen der muslimfeindlichen, die Sicherheit bedrohenden und generell kontraproduktiven Seite.

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