Wenn der Islam sichtbar wird …

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Moscheebau, Minarettdebatte: Präsenz des Islam in der Öffentlichkeit führt häufig zu Konflikten. Mediation erweist sich dabei als mögliche Strategie.

B ad Vöslau, Niederösterreich. Der türkisch-islamische Verein ATiB will eine Moschee errichten. Proteste folgten auf dem Fuß. Aber mittlerweile steht das Gebetshaus. Das Erfolgsgeheimnis: Die Konflikte rund um den Bau konnten mit einem Mediationsverfahren bewältigt werden.

Immer wieder kommt es zu Protesten wenn es um Bauvorhaben für islamische Kulturzentren geht. Erst vergangene Woche löste der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, mit seinem Wunsch nach einer außen erkennbaren Moschee in jeder Landeshauptstadt eine öffentliche Debatte aus. Wo der Islam sichtbar wird, scheinen Konflikte vorprogrammiert. Ernst Fürlinger, Religionswissenschaftler und Theologe an der Donau-Universität Krems sieht das als Symptom einer Entwicklung: „Der Moscheebau bedeutet, dass Muslime ihre Provisorien verlassen, weil sie wissen, dass sie hier bleiben“, so Fürlinger zur FURCHE.

Dies war auch in Bad Vöslau der Fall, wo es zunächst heftige Proteste bezüglich des geplanten Moscheebaus gab. Nach einer fünf Monate dauernden Mediation, die von der Gemeinde initiiert worden war, wurde ein Konsens erreicht: Die Kuppel und die Minarette sind nun kleiner als geplant und es gibt keinen Muezzinruf. Damit wurden sowohl Bauherrn als auch Bewohner zufriedengestellt: Die Moschee konnte im Oktober 2009 eröffnet werden. Dieser Prozess brachte aber weit mehr als eine „architektonische“ Lösung. Es wurden auch Maßnahmen zur Verbesserung in Bad Vöslau initiiert, so werden im neuen islamischen Kulturzentrum auch Deutschkurse angeboten.

Beispiele, die Schule machen

Das Beispiel von Bad Vöslau macht Schule. So wurden nach Protesten gegen islamische Zentren in Wien-Floridsdorf und Wiener Neustadt ebenfalls Mediatoren eingeschaltet.

In Altach entsteht gerade der erste islamische Friedhof in Vorarlberg – ein gemeindeübergreifendes Projekt: Muslime aus ganz Vorarlberg sollen hier begraben werden. Auch diesem Vorhaben ging ein mehrjähriger Prozess mit Informations- und Gesprächsrunden voran, um sowohl in der muslimischen Gemeinschaft einen Interessenausgleich herbeizuführen, als auch die Zweifel in der Bevölkerung auszuräumen. Die Erdarbeiten auf dem Areal haben mittlerweile begonnen.

Der Soziologe Kenan Güngör, in der Türkei geboren und in Deutschland aufgewachsen, berät mit seiner Wiener Firma „difference“ öffentliche und zivilgesellschaftliche Organisationen in Integrationsfragen. So hat er unter anderem die Länder Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg bei ihren Integrationsleitbildern begleitet.

Güngör ortet hinter vielen Konflikten um den Islam vor allem Ängste: „Ich bemerke sowohl bei der Minderheitsbevölkerung, bei den Migranten, als auch bei der Mehrheitsbevölkerung Verlustängste.“ Migranten hätten Angst im neuen Land alles zu verlieren, was sie ausmacht: ihre Religion, ihre Kultur und ihre Geschichte. Und auf Seiten der Mehrheit werde gefragt: „Wenn die Zuwanderung so zunimmt, was wird aus uns irgendwann einmal? Was wird dann aus der deutschen Sprache, aus der Kultur?“

Für die Wiener Kulturwissenschaftlerin Martina Steiner sind Konflikte per se nichts Negatives. Sie beschreibt interkulturelle Differenzen als „alltägliche Herausforderungen an die soziale Kompetenz der Beteiligten“ (siehe Interview unten).

Sachliche Debatten

Doch auch auf breiterer Ebene sind Strategien erforderlich. Für den Religionsexperte Ernst Fürlinger ist es wichtig, „dass man den Kenntnisstand über die österreichischen Muslime verbessert, ein differenziertes Bild gewinnt.“ Hier seien auch die muslimischen Organisationen gefordert, „mehr Öffentlichkeitsarbeit zu machen und für Transparenz zu sorgen.“ Kenan Güngör meint ebenfalls, dass man das öffentliche Bild von Muslimen in Österreich zurechtrücken müsse. Hinter vielen Debatten um den Islam sieht er etwas ganz anderes: „Da erkenne ich weniger die Kultur, als viel mehr die Bilder und die Befürchtungen, die wir haben.“ Man müsse unterscheiden: „Was daran ist Imagination an Befürchtungen, die auch mich betreffen, und was ist reale Substanz?“

Öffentliche Debatten sind wichtig, aber aus politischer Instrumentalisierung der Rechten herauszuholen und auf eine sachliche Ebene zu bringen, so der Tenor der Experten: „Wir müssen als Gesellschaft wachsam sein, dass sich nicht ein Diskurs verstärkt, der den Muslimen mitteilt: Ihr seid nur Bürger zweiter Klasse“, bekräftigt Ernst Fürlinger.

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