Werbung
Werbung
Werbung

Das säkulare Europa hat keinen adäquaten Gesprächspartner in der islamischen Welt. Vier Anmerkungen zum "Karikaturenstreit".

I.Da ist die alte Kaufmannsweisheit: Der Kunde ist König. Und was den Kunden stört, ist schlecht fürs Geschäft. Die dänische Regierung erlebt zur Zeit, welche Folgen das Ignorieren solchen Grundgesetzes haben kann: Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass das diesbezügliche Krisenmanagement Kopenhagens alles andere als produktiv war. Die islamische Welt ist ja nicht nur ein unverzichtbarer Rohstofflieferant (Öl...) für Europa, sondern eben auch Konsument europäischer Waren. Dass sich Dänemark nun Handelssanktionen und Warenboykotten gegenübersieht, ist Folge einer kapitalen Fehleinschätzung.

II. Da ist im europäischen Mainstream generelle Ahnungslosigkeit gegenüber der Religion zu konstatieren (vgl. die Analyse der evangelischen Theologin Susanne Heine, Seite 4 dieser Furche). Die Säkularisierung, auf der der liberale Rechtsstaat aufbaut - und die fürs Funktionieren moderner freier Gesellschaften unabdingbar ist! -, hat in Europa gleichzeitig die Religion, namentlich das Christentum, marginalisiert. Die Rede von Kirchen und Religionen als wesentliche Player der Zivilgesellschaft entpuppt sich zunehmend als Sonntagsrede, das Bewusstsein um die Essentials und auch die Riten des Christentums nimmt ab. Dies hat sehr wohl mit den aktuellen Aufregungen zu tun: Wem das Gefühl fürs Religiöse verloren gegangen ist, der wird religiöse Verletzungen, wie sie die Mohammed-Karikaturen für Muslime darstellen, nicht verstehen. Hier liegt die zweite kapitale Fehleinschätzung im säkularen Europa vor.

III. Da ist aber auch Ignoranz in der islamischen Welt sowohl gegenüber den anderen Religionen als auch gegenüber der Säkularität des Westens. Dass die Muslime in Europa ein Schattendasein führen, dass sie sich in Getto-Situationen wiederfinden, stimmt und ist in den Auseinandersetzungen der letzten Jahre immer wieder thematisiert worden. Aber man darf - gerade angesichts eines wütenden Mobs gegen den Westen und europäische Einrichtungen - schon auch nach der Reziprozität fragen: Wie steht es um Fragen der Religionsfreiheit und-achtung in der islamischen Welt? In weiten Teilen dieser ist da ein verheerendes Zeugnis auszustellen. Zusätzlich sind unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Israel gerade auf dem Feld der Karikaturen das Verächtlichmachen des Judentums - Antisemitismus pur! - gang und gäbe. Diese Fragen müssen sich islamische Gesellschaften, die nun so lautstark gegen den Westen zu Felde ziehen, sehr wohl gefallen lassen. Die Auseinandersetzung hat daher längst mehr Dimensionen als das Anprangern westlicher Verhöhnung des Islam.

IV. Da ist schließlich die letztlich entscheidende Frage nach der Demokratie: Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen gibt es keine islamische Gesellschaft, die europäischen Standards für Demokratie genügen würde. Dass ein repressives System wie etwa der gegenwärtige Iran - siehe seine rabiate aktuelle Politik! - in diesen Fragen wirklich ein berechenbarer Gesprächspartner Partner sein kann, mag ja niemand annehmen. Es darf aber auch bezweifelt werden, dass vergleichsweise "friedliche" Gesellschaften wie die ägyptische, in der die relative "Ruhe" mittels Polizeistaat erkauft wird, dazu mehr taugen. Dazu kommt noch, dass moderne Kommunikationsmöglichkeiten die Auseinandersetzungen eher verschärft haben: Auch diesmal war Information weltweit im Nu verfügbar - über Satellitenfernsehen, Internet, Handys, bei den gegenwärtigen Ausschreitungen hat die Informationsverbreitung via sms eine große Rolle gespielt. Komplexe Sachverhalte werden durch dieses schnelle Informationsfeuer simplifiziert und tragen mehr zur Eskalation denn zur notwendigen Reflexion bei.

Solche Reflexion kann aber à la longue nur innerhalb und mit freien, demokratischen Gesellschaften funktionieren. Bei aller Kritik am europäischen Mangel an Sensibilität gegenüber dem Islam gilt somit: Solange die islamische Welt sich nicht in diese Richtung bewegt, kann sie auch in diesen Fragen nicht der dringend benötigte Dialogpartner des Westens sein. Die gegenwärtigen Ausschreitungen zeigen - leider - eines deutlich: Europa hat in dieser Auseinandersetzung zur Zeit schlechte Karten.

otto.friedrich@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung