Ob Minarett-Debatte, Sarrazin-Auseinandersetzung oder deren Pendants in den Wahlkämpfen von der Steiermark bis Wien: Das Thema Islam steht nun schon Wochen ganz oben auf der öffentlichen Agenda # und zwar auf der Negativ-Folie eines Feindbildes.
#Der Bau von Minaretten sollte selbstverständlich sein.# Mit solcher Ansage positionierte sich Thomas Hennefeld, Österreichs reformierter Superintendent, bei einer Diskussionsveranstaltung in Wien. In ein ähnliches Horn stieß tags darauf sein lutherischer Kollege, Bischof Michael Bünker, der gleichfalls bei einer öffentlichen Diskussionsrunde meinte, der Islam sei in Europa angekommen: #Menschen sind mit ihrer Religion gekommen, und sie bleiben.# Der Bischof sprach das Minarettverbot in der Schweiz an, wo die Kirchen erkennen mussten, #dass es nicht reicht, auf die Menschenrechte zu pochen#. Vielmehr gehe es darum, #die Menschen zu erreichen#. Und hier gebe es noch viel zu tun.
Beängstigendes Islambild
Ob Minarett-Debatte, Sarrazin-Auseinandersetzung oder deren Pendants in den laufenden Wahlkämpfen: Das Thema Islam steht nun schon Wochen ganz oben auf der öffentlichen Agenda # und zwar auf der Negativ-Folie eines Feindbildes, das vom Aufreger-Buch bis zu den Medien-Erregungen bestimmt wird. Einer, der sich in der jüngsten Auseinandersetzung bislang nicht öffentlich geäußert hat, ist Ednan Aslan, islamischer Religionspädagoge an der Universität Wien und einziger islamisch-theologischer Lehrstuhlinhaber an einer österreichischen Universität.
Die gegenwärtige Situation der Muslime in Europa sei alles andere als günstig, so Aslan im Gespräch mit der FURCHE: Das Islambild, das in Europa vorherrsche, sei beängstigend, und es gebe keinen Zweifel, dass das Bildungsniveau der Muslime #nicht zufriedenstellend ist# # in Deutschland wie in Österreich. Diesem, eben auch von Thilo Sarrazin geäußertem Befund stimmt Islam-Pädagoge Aslan zu. Allerdings, so schränkt er ein, habe der Ex-Bundesbanker keine Lösungsmodelle parat: Sarrazin gehe von der Gegenwart des Islam in Europa aus und setze diese mit dessen Zukunft gleich. Das sei # abgesehen davon, dass die rassistische Haltung Sarrazins auch gefährlich sei # zur Lösung der Probleme ungeeignet.
Aslan kritisiert dabei klar auch die Haltung vieler Muslime in Europa: Deren Gegenwart sei zu stark von einer #Verteidigungshaltung# geprägt, welche die Erneuerung behindere. Auf diese Weise sei die notwendige #Kontext-orientierte# Sichtweise des Islam nicht möglich, außerdem würden kritische Muslime von den traditionellen muslimischen Vereinen und Organisationen ausgegrenzt.
Innerislamischer Diskurs nötig
Diese #radikale Verteidigungshaltung# auf muslimischer Seite radikalisiert nach Ansicht Aslans die Mehrheitsgesellschaft ihrerseits gegenüber den Muslimen: Man dürfe nicht vergessen, dass die Bilder von den Verbrennungen der Bücher von Salman Rushdie in Europa nach wie vor präsent seien: Es überrasche ihn daher nicht, #wenn man Koran-Verbrennungen im Westen sieht#, so Aslan.
Für den Islam-Pädagogen ist daher ein innerislamischer Diskurs unabdingbar, der aber eben nur dann stattfinden könne, wenn das Bildungsniveau unter den Muslimen nachhaltig gesteigert werde.
Das #Modell Österreich# mit einem staatlich anerkannten Islam ist für Aslan nach wie vor ein Modell für Europa. Der Universitätslehrer kritisiert aber: Die Muslime in Österreich seien zu sehr auf eine traditionelle Sicht des Islam fokussiert und würden zu wenig die Chance wahrnehmen, das Modell Österreich auch für die Herausbildung eines europäischen Islams zu nutzen: #Wir brauchen Imame, die an einen europäischen Islam glauben#, argumentiert Aslan. Ein Imam, der aus Ägypten in eine Wiener Moschee-Gemeinde kommt, könne das nicht. Aslan will dazu selber die Initiative ergreifen und in Wien eine #europäisch geprägte Moschee# gründen.
Aber auch die Mehrheitsgesellschaft ist nach den Worten von Aslan in dieser Auseinandersetzung in die Pflicht zu nehmen: #Die Mehrheitsgesellschaft muss daran glauben, dass die Gegenwart des Islam in Europa nicht dessen Zukunft ist.# Für Ednan Aslan ist dies essenziell: Der Glaube der Mehrheit an die Wandlungsfähigkeit der islamischen Minderheit sei #eine gesellschaftliche Aufgabe für den sozialen Frieden#.
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