"Wie kann der Islam nicht zu einem Land gehören, in dem es eine Islamische Glaubensgemeinschaft, ein Islamgesetz gibt - und die offizielle Anerkennung seit über 100 Jahren?"
Gehört der Islam zu Österreich?", wurde unsere Außenministerin gefragt. "Islam nein, Muslime ja" hat sie geantwortet - inzwischen mehrfach.
Ich kenne Karin Kneissl schon lange, habe sie wiederholt um ihre Rhetorik, ihr Wissen und ihre Vielsprachigkeit beneidet - und halte sie für einen erfreulichen Zuwachs in dieser Regierung.
Und ich weiß auch, wie schwierig Politik sein kann. Man ist vielen verpflichtet: zunächst denen, die einen entdeckt, vorgeschlagen und durchgesetzt haben; dem Koalitionspartner und vielen Einflüsterern auch; dem Zeitgeist und den Medien -und wohl auch der eigenen Vernunft.
Selten wird dieser komplexe Anspruch so deutlich wie mit der zitierten Antwort der Ministerin: "Islam nein, Muslime ja". Noch dazu, wenn einem zum Außenministerium auch noch die Verantwortung für Integration dazugeschlagen wurde.
Das Dilemma begann in diesem Fall schon beim provokanten Hintersinn der Frage. Was "gehört" eigentlich zu Österreich? Beethoven? Südtirol? Der Jude Jesus? Unsere "lateinische" Schrift und die "arabischen" Zahlen? Der Nationalsozialismus? Und Österreichs heute zweitstärkste Religion -mit einer überreichen Kulturgeschichte von Begegnung, Bedrohung und Befruchtung? Der Zweck der Frage ist offenkundig demagogisch.
Und dann die Antwort: Abgesehen vom Plagiatsverdacht (© der Bayer Horst Seehofer) liegt sie weit unter meinen Erwartungen für eine Ministerin, die seit Jahrzehnten um diese Thematik kreist. Sie ist eine typisch rotweißrote Parallelaktion zur Debatte um eine acht Jahre zurückliegende Bemerkung des früheren deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff ("Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland").
"orient und okzident "
Man mag mit dem Islam als Phänomen einer globalisierten Welt und als Religion von zehntausenden neuen Migranten seine Probleme haben -und der Sehnsucht nach alten Gewissheiten anhängen. Aber was bedeutet das Urteil der Ministerin? Muss nun konvertieren, wer sich vollständig integrieren will? Bleibt es sonst zwangsläufig bei einer gesellschaftlichen Rand-Präsenz? Gehören muslimische Gläubige und Grup pen samt ihren Wohnungen und Vierteln nicht mehr zu Österreich? Und wie konnte Goethe so irren, als er uns ins Stammbuch geschrieben hat: "Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen" ("Westöstlicher Diwan")?
Auf die Frage, ob Österreich eine Nation sei, hatte Bruno Kreisky einst gemeint, mit einer Nationalbank, einer Nationalbibliothek und einer Nationalmannschaft müsse es wohl auch eine österreichische Nation geben.
Wie kann dann der Islam nicht zu einem Land gehören, in dem es eine Islamische Glaubensgemeinschaft, ein Islamgesetz gibt -und eine Geschichte, die diesen Glauben schon vor mehr als 100 Jahren offiziell anerkannt hat?
Ich frage mich: Wie sollen Integration und ein Miteinander gelingen, wenn diese Fakten nicht gelten dürfen?
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!
