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Der Premier in Opposition
„Peter Newman hat den Keller der kanadischen Politik geöffnet”, behauptet Douglas Fisher, Ministerpräsident, über den Autor von „Re- negade in Power”, ein Buch, das heute im Brennpunkt des kanadischen Interesses steht. John Diefen- baker, der 1958 den größten Wahltriumph in der Geschichte seiner Heimat feierte, fünf Jahre später aber wieder in der Opposition landete, ist der „Held” des Bandes.
Diefenbaker führte die Konservativen aus der Wildnis der Opposition an die Macht. Als Einundsechzigjähriger wurde er Premierminister, ohne eine administrative Erfahrung zu besitzen — abgesehen von der Leitung seiner Anwaltskanzlei in der Präriestadt Prince Albert. Newmans Schilderung der dramatischen Kabinettsitzung zu Jahresbeginn, während der Diefenbaker die eigene Regierung als „Nest Von Verrätern” bezeichnete, beruht, so flüstert man in Ottawa, auf Augenzeugenberichten.
Auch Kanadas Beziehungen zu London verschlechterten sich. Besonders Diefenbakers laute Opposition gegen den Beitritt des „Old Country” zum European Common Market gewann ihm in England keine Freunde.
Hatten die Reformen Diefenbakers anfangs allgemeine Zustimmung ge-
funden, so zeigte es sich doch bald, daß er ein weit besserer Redner als Administrator war. Sein1 Zaudern bei der Behandlung vitalster Probleme erschütterte schließlich auch seine Position in der Regierung. Kennzeichnend dafür waren die Geschehnisse während der Kabinettsitzung am 3. Februar 1963. Handelsminister Hees, der als „Kronprinz” in der
Parteiführung galt, war für eine klare Verteidigungspolitik eingetreten, aber von dem „anti-nuklearen” Flügel niedergeschrien worden. Darauf erklärte Verteidigungsminister Harkness, ein vielfach dekorierter Frontoffizier, daß Diefenbaker das Vertrauen von Ministern, der Partei und der Nation verloren habe.
. möge zum Teufel gehen”
Diefenbaker seinerseits brandmarkte Harkness als Verräter und forderte seine Anhänger nun auf, sich von ihren Sitzen zu erheben — doch neun Minister taten es nicht! Später erklärte Hees, der Premierminister solle zurücktreten und derart die Regierung retten, doch Diefenbaker ripostierte, Hees möge „zum Teufel gehen”. Demissionen von Hees und anderen Ministern folgten
Bei den darauf folgenden Wahlen siegten die Liberalen unter Friedensnobelpreisträger Pearson, hne aber eine parlamentarische Mehrheit zu erhalten. Diefenbaker wurde Führer der Opposition. Ob er wieder in die Residenz des Premierministers einziehen wird oder ob konservative Rebellen ihn aus der Parteiführung verdrängen können, werden vielleicht schon die nächsten Monate zeigen.
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