Maschinerie oder Masche

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"Einen Jux will er sich machen" von Johann Nestroy bei den Festspielen Reichenau.

Einen Jux will er sich machen" wird gerne als die liebenswürdigste unter Johann Nestroys Possen bezeichnet. Doch sie spiegelt auch die zynische Seite ihres Schöpfers. Zwei Seelen wohnen in der Brust seines Weinberls, der von "Jugend auf ans G'wölb gefesselt war", den "Sonnenaufgang nur vom Bodenfensterl, die Abendröte nur vom Bodenfensterl" kennend: jene der unterdrückten Kreatur, die wenigstens einmal aus ihren begrenzten Leben ausbrechen möchte und jene des sicherheitsbedürftigen Biedermeier-Bürgers, der unten noch, um jeden Preis nach oben möchte. Nestroys Verständnis für seinen Handlungsdiener, wie für die anderen Figuren seines Stückes, ist begrenzt. Unter der biedermeierlichen Behaglichkeit schlummern Gier und Berechnung. Wer den "Jux" heute inszeniert kommt nicht umhin, auch seine dunkle Seite mitzudenken.

Im Stadttheater Reichenau bemüht man sich nach Kräften um einen "anderen" Nestroy, doch wie der letztlich aussehen soll, weiß keiner so recht. Unentschieden bedient sich Nikolaus Büchels Inszenierung zum einen der herzhaften Komödientradition, fischt auf der anderen Seite Gags zuhauf aus dem Fundus der Theatermoderne und versucht einen schrägen Humor einzubringen, der nur selten zündet.

Die Aufführung beginnt konventionell. Hermann Scheidleder gibt als Gewürzkrämer Zangler den cholerischen Haushaltsvorstand, Franz J. Ceeh den geckenhaften Schneidermeister, Eva Fichte die beschränkte alte Wirtschafterin - Futter für eine vertraute Komödienmaschinerie, in die sich auch Boris Eder als mimisch gewandter Christopherl und Georg Schuchter als Weinberl einfügen. Gut gelingt es ihm den eitlen Stolz auf die eigene Ehrbarkeit und die Lust auf Abwege des kleinen Angestellten zu zeigen, der einmal ein "verfluchter Kerl" sein möchte.

Dann beginnt das Dilemma der Aufführung. Noch witzig ist das Spiel mit der Theatersituation an sich, wenn die Lichtregie (Lukas Kaltenbäck) den Vollmond über dem Liebespaar, Gewürzkrämers Töchterlein Marie (Tanina Beess) und ihren Sonders (Michael Dangl) ein Eigenleben entwickeln lässt. Doch sehr bald ermüden diese so genannten Brechungen. Bestes Beispiel ist das Bühnenbild (Peter Loidolt) aus bewegbaren Stellwänden. Im Geschiebe erwartet man jeden Moment eine Karambolage. Es kommen Zweifel auf, ob derart unpraktikable Bühnenelemente nicht erst nach Erprobung zur (witzig gemeinten) Absicht erklärt wurden. Für Paul Guldas Musik - einem Mix aus bearbeiteter Originalmusik von Adolf Müller, Klängen von "My fair Lady" bis Tango - findet sich im Programmheft die beste Bezeichnung: extravagant.

Dass das Stubenmädchen von Fräulein Blumenblatt einen Frack trägt (Kostüme: Gerti Rindler-Schantl) und Madame selbst (Lotte Ledl) an einer Zigarre nuckelt, die sie hält als hätte man sie gezwungen, rundet den eigenwilligen Humor dieser Inszenierung ab. Gegen Ende gibt es einen erhellenden Moment: Weinberl macht um nicht verraten zu werden, Frau von Fischer (Viktoria Schubert) den Heiratsantrag. Sein neuer Kompagnon Zangler verrät ihm, eigentlich hätte er ihm die Tochter zugedacht. Der Blick des ehemaligen Handlungsdieners verrät alles: Er hätte ein gesellschaftliche Stufe höher steigen können. Das wär's gewesen: Weniger Makulatur, mehr Stück.

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