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Fotografien aus Südafrika in der Kunsthalle Wien zeigen Bilder einer unbekannten Wirklichkeit.

Seit einem Dutzend Jahren probt Südafrika eine Selbsterfindung jenseits der Altlasten aus der Zeit der Apartheid und jenseits von Selbstdarstellungen, wie sie der Westen und der Norden vorgeben. Angesichts der Tatsache, dass die Welt eine Kugel und das All räumlich indifferent ist, muss die Welt, wenn sie in den Atlanten flach gedrückt wird, nicht automatisch die Nordhalbkugel obenauf haben. Genauso gut kann die Südhalbkugel die obere Hälfte der Atlasseite bedecken, ohne dass deshalb die Welt Kopf stehen müsste. Vorgeführt wird dies in der Kunsthalle Wien, dort hängen Fotografien aus Südafrika an den Wänden, und zwar oben.

Facetten des Alltags

Das heißt aber nicht, dass die Betrachter nun unten durch wären. Ganz im Gegenteil, die Schau bietet einen unspektakulären, aber damit umso glaubwürdigeren Einblick in die nicht einfache südafrikanische Wirklichkeit. Der Alltag in vielen Facetten steht im Mittelpunkt, in der fotografischen Umsetzung reicht die Palette vom Schnappschuss bis zur aufwändigen Inszenierung. Wie jedem guten Fotografen ist den vertretenen Künstlern bewusst, wie sehr die Fotografie vom gekonnten Ausschnitt lebt, wie sehr die Enden des Suchers als Rahmen funktionieren und daher das Eingerahmte immer auch eine Komposition, das Zusammenfügen einer Wirklichkeit bedeutet. Daher stellt sich auch die Frage nach der Wahrheit derartiger Bilder auf ganz andere Art und Weise. "Wenn die Wahrheit das ist, was sich offenbart oder was sich selbst zeigt, dann ist nicht nur das Bild immer wahr, sondern die Wahrheit ist von sich aus immer ein Bild", klärt uns der Philosoph Jean-Luc Nancy auf. In diesem Fall sind es fotografische Bilder und zwei Videoprojektionen.

Die Schau in der Kunsthalle gruppiert sich um den Altmeister der südafrikanischen Fotografie, David Goldblatt. Bereits innerhalb seiner Zyklen zeigen sich die disparaten Zustände des Landes. Bürgermeister präsentieren sich in staatstragendem Ambiente und sehen doch etwas verloren aus auf ihrem Kurzzeitthron. Konterkariert werden sie durch den Blick in die St. John's Church, ein Gebäude aus Fundmaterialien, bestuhlt mit blechernen Dreiersitzen aus einem Bus. Im Bus sind diese Sitze dann ab zwei Uhr in der Früh besetzt, wenn die Leute aus KwaNdebele täglich die vierstündige Fahrt nach Pretoria auf sich nehmen, um dort Arbeit zu finden.

Bilder in einfachen Hütten

Zwelethu Mthethwa lässt die Menschen in ihren Häusern auftreten, ärmlichen Hütten, in denen Zeitungsausschnitte gleichzeitig als Ersatz für das Sofabild und für die nicht leistbaren Tapeten dienen. Dabei drängt sich aber nicht das Elend in den Vordergrund, vielmehr staunt man über das Formgefühl der Menschen und darüber, wie selbstbewusst sie sich dem Kameraauge aussetzen.

Omar Badsha überzeugt durch einfühlsame Porträts kleiner Menschengruppen, wobei ein kultischer Kontext quer durch die Religionen überwiegt. Andrew Tshabangu dokumentiert einerseits Alltagsszenen von Märkten oder Busständen, andererseits illustrieren die von ihm eingefangenen Szenen religiöser Praktiken die offensichtliche Wichtigkeit von Religion für die Menschen. Das Profane und das Sakrale verbinden sich wie selbstverständlich miteinander, viele der vorgestellten rituellen Handlungen und Prozessionen spielen sich im öffentlichen Raum ab.

Geschminkte Aids-Tote

Pieter Hugo arbeitet mit Inszenierungen, wie wir sie hierzulande aus der Werbung kennen, wobei sich sein Blick einem der größten Probleme des gesamten Kontinents zuwendet: Aids-Tote, deren geschminkte Gesichter von bunten flauschigen Decken umhüllt sind, werden so an einen bestimmten Lebensstil rückgebunden und wirkten dennoch wie geköpft. Neben den beiden Videoarbeiten von Thando Mama und Berni Searle fungiert die Fotografie als Navigationshilfe durch eine schwer durchschaubare Wirklichkeit.

Black, Brown, White

Fotografie aus Südafrika

Kunsthalle Wien

Museumsplatz 1, 1070 Wien

Bis 18. Juni, Täglich 10-19, Do 10-22 Uhr

Katalog: Black, Brown, White. Fotografie aus Südafrika, Nürnberg 2006,

240 Seiten, e 24,-

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