7110124-1995_47_18.jpg
Digital In Arbeit

In Ritualen gefangen

Werbung
Werbung
Werbung

Dieser Tage erhält die 1959 in der Nähe von Eisenstadt geborene Künstlerin den mit 100.000 Schilling dotierten Otto-Mauer-Preis überreicht. Das eingereichte Werk ist eine zweiteilige Fotoarbeit, an deren kleinerem Element die konvex gebogene Glasscheibe auffällt, die sich über ein unbelichtet entwickeltes Fotopapier wölbt, während das größere Farbfoto eine zur Falte geraffte Stoff-Fläche wiedergibt. Die Juroren bestätigten der Künstlerin „eift metaphorisches und zugleich poetisch-sinnliches Spiel mit Körperlichkeit in einer Dialektik von Anwesenheit und Abwesenheit".

Beim Atelierbesuch nehmen sorgfältig gearbeitete Alben mit Fotoaufnahmen von weiblichen Tätigkeiten wie Kochen, Backen, Abwaschen, dem Glattstreichen von Bettdecken und ähnlichem den Blick gefangen: „Zudeck-Album", „Bettzudeck-Al-bum Winter-Sommer", „Hostien-Album" heißen sie, an denen besonders die Auswahl der Motive nach runden Formen Aufmerksamkeit erregt. Zwischen die einzelnen Fotoblätter hat die Künstlerin handgezeichnete Blätter von Spinnenpapier eingelegt, die Alben sind mit weißem Satin überzogen und dürfen nur mit weißen Handschuhen angefaßt werden. „Ich arbeite mit vorgefundenen Klischeebildern, Materialien, mit Ritualen", sagt Maria Hahnenkamp. Die Eltern sind Nebenerwerbs-Landwirte im Weinbau, die Mutter ist Hausfrau -Kochen,Nähen, Sticken waren selbstverständliche Fertigkeiten, die an die Töchter weitergegeben wurden.

Seit 1988 arbeitet die Künstlerin fotografisch, besuchte 1990/91 die Schule für künstlerische Fotografie von Friedl Kubelka-Bondy und Manfred Macher. In Wien lebt Maria Hahnenkimp seit 1976, wo sie eine Grafik- Ausbildung (Wiener Kunstschule) begann und als Werbegrafikerin arbeitete. Immer wieder experimentierte sie mit verschiedenen Techniken und Materialien und arbeitete auch im Orgien-Mysterien-Theater von Hermann Nitsch mit. Seit 1991 stellt sie aus, Galerien in Wien, Graz, Paris, aber auch New York haben ihre Arbeiten gezeigt. Aber immer wieder ist es eine Gratwanderung - bis auf weiteres geht es nicht ohne eine fallweise Tätigkeit als Werbegrafikerin.

Eine Folge weißgerahmter runder Fotografien gibt weibliche Ausscheidungsprodukte auf Klopapier, Ausschnitte von Hochzeitskleidern, auf das Geschlecht fokussiert, Stuckornamente wieder. Es scheint eine Welt der in Ritualen gefangenen Weiblichkeit zu sein, aus der Hahnenkamp ihre Motive nimmt. Das stumpfe Weiß verstärkt den Eindruck des Unlebendigen. „Als Farbe, die der Frau zugeordnet ist, greife ich damit ein weiteres Klischee auf, gleichzeitig ist Weiß ja die Abstraktion der Farbe", sagt Maria Hahnenkamp dazu.

„Mein Thema ist unter anderem die Frage der Repräsentation, die Gesellschaft, die mehr dem Schein als dem Sein folgt", kommentiert die Künstlerin ihre Arbeiten, zu denen sie beispielsweise auch reichverzierte Original-Bonbonschachteln verwendet, die sie mit Ohrklips, Schmuckknöpfen und ähnlichem versieht. „Meine Süße, mein Schokoladestück" assoziiert man(n) dazu. Den Objekten ist ein starker ästhetischer Reiz eigen, aller Banalität des verwendeten Materials zum Trotz.

„Ich habe als Frau bestimmte Erfahrungen in meinem Leben gemacht, die ich jetzt weitergeben möchte", kommentiert die Künstlerin die Frage nach ihrem feministis-hen Engagement. Ihre Arbeiten seien ein Resultat dieses Erkenntnisprozesses, Veränderungen in der Situation der Frauen seien permanent erkennbar: „Auch ich selbst möchte in Bewegung bleiben", ist ihre Forderung.

Von aufka-schierten Fotos wird in Bildmitte das Foto weggekratzt, nur am Rahmen bleibt das Motiv vorhanden. Kommentar: „Das Bild ist vom Bild gereinigt". Auf den Betrachter wirkt es sehr zerstörerisch. Die Bilder müßten sich in der Zukunft neu formieren können, eine Sehnsucht nach einer neuen Geschichte dokumentiere sich darin, ist Hahnenkamps Hinweis.

Eine große Arbeit von rund 300 Fotos zeigt diese jeweils übereinander-genäht, das Bild weggekratzt, sodaß nur am Rahmen das Motiv erhalten blieb. 1993 war sie in der Wiener Galerie Schorm zu sehen. Ob da nicht unangenehmes „Auslöschen" assoziiert würde, Sich-selbst-auslöschen, jemanden anderen Auslöschen? Das verneint Maria Hahnenkamp, nur die am Foto erzählten Geschichten würden ausgelöscht.

Ausgestickte Fotos, deren Stickerei über den Bildrand hinausreicht, gibt es, wodurch gewissermaßen ein Verschwinden des Bildes erreicht wird. Außerdem bietet die Künstlerin auf Papier entworfene Ornamente an, die mittels Bohrer auf Wandelemente übertragen werden können, und so einen sehr differenzierten Raumeindruck erzielen. Die Bohr-Vorlage wird von ihr mit einem Zertifikat versehen und höchstens zweimal hergestellt.

Den Eindruck von Aggression vermitteln die „Rotgenähten Fotoarbeiten". Dafür wurden Teile von Farbfotografien (einer rotgepolsterten Sitzbank?) zusammengenäht, durch die Vernähung biegt sich das Fotopapier, die einzelnen Bildobjekte erhalten Volumen und reflektieren spiegelartig. Mit einer Gummiplatte an der Mauer befestigt, bleibt der Eindruck von Plastizität erhalten. Die roten Polsterungsmuster erwecken starke Körper-Assoziationen: Fleisch, Körperöffnungen und so weiter.

Geschenkverpackungen von Par-fümflacons werden ebenfalls als Ausgangsmaterial genommen, in einen Rahmen gestellt, konzentrieren sie den Blick auf die Flaconveftiefung in der Packung , die beispielsweise mit rotem oder blauem Seidenfilz ausgelegt ist und an weibliche Körperöffnungen denken läßt.

Für die Künstlerin scheint eine spröde Auseinandersetzung mit der „Welt des Weiblichen" in Gang, deren Radikalität trifft und deren schmerzhafte Dauer noch nicht abzusehen ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung