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Eine Luxusvilla im „verschollenen Stil“

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Ernst Fuchs ist unter die Architekten gegangen: In prachtvoller Lage am Genfer See bei Lausanne plant er, eine Luxusvilla zu errichten, die den alten Vorstellungen vom Bauwerk als Gesamtkunstwerk entspricht. Es wird sozusagen ein Museum und Mysterienbau, in dem der Auftraggeber, ein ungenannter Industrieller, mit seiner Familie leben will. (Im ganzen ein Projekt, das der prachtvollen Mysterienvilla, die zu den größten Touristenattraktionen der ausgegrabenen Stadt Pompeji zählt, nicht Unähnlich ist.) Aber auch in Wien ist man auf den Geschmack gekommen. Fuchs wurde von einem Wiener Aristokraten beauftragt, sich vorerst Gedanken für eine Kapelle zu machen, die in einem der schönsten Wiener Privatparks entstehen soll. Ernsthafte Probleme gibt es dabei für Ernst Fuchs kaum, es sei denn statische Fragen, die indes ohnedies nicht von ihm ausgeklügelt werden. Als Baustil für beide Schöpfungen gibt er wie für alle seine Gemälde und Bühnenbilder den „verschollenen Stil“, den Stil seiner „Architectura caelestis“, an. Der „Furche“, als erster Zeitung, erzählte Fuchs darüber Details.

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Ernst Fuchs ist unter die Architekten gegangen: In prachtvoller Lage am Genfer See bei Lausanne plant er, eine Luxusvilla zu errichten, die den alten Vorstellungen vom Bauwerk als Gesamtkunstwerk entspricht. Es wird sozusagen ein Museum und Mysterienbau, in dem der Auftraggeber, ein ungenannter Industrieller, mit seiner Familie leben will. (Im ganzen ein Projekt, das der prachtvollen Mysterienvilla, die zu den größten Touristenattraktionen der ausgegrabenen Stadt Pompeji zählt, nicht Unähnlich ist.) Aber auch in Wien ist man auf den Geschmack gekommen. Fuchs wurde von einem Wiener Aristokraten beauftragt, sich vorerst Gedanken für eine Kapelle zu machen, die in einem der schönsten Wiener Privatparks entstehen soll. Ernsthafte Probleme gibt es dabei für Ernst Fuchs kaum, es sei denn statische Fragen, die indes ohnedies nicht von ihm ausgeklügelt werden. Als Baustil für beide Schöpfungen gibt er wie für alle seine Gemälde und Bühnenbilder den „verschollenen Stil“, den Stil seiner „Architectura caelestis“, an. Der „Furche“, als erster Zeitung, erzählte Fuchs darüber Details.

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Seit Wochen arbeitet er nun in seinem ebenerdigen Atelier in der Marokkanergasse an der ersten überlebensgroßen Plastik, die im Atrium der Villa aufgestellt werden soll: Einer voluminösen Dame, ein wenig einer Muttergottheit oder frühen Diana verwandt, die mit ihren üppigen Formen das Weibliche schlechthin repräsentiert. Und aus Gips und Wachs formt er dämonische Köpfe, die aufs Haar — pardong' — auf den Pinselstrich den Che-ruDswesen und Malachgestalten auf seinen Tableaus und Leinwänden gleichen. Da steht zum Beispiel eine kleine bernsteinfarbene Molochfratze, das Modell für das Haupt der Mannesflgur, die, wie die Frau später ebenfalls in Bronze gegossen, dieser im Atrium gegenüberstehen wird, und zwar am Rande eines eiförmigen Wasserbeckens, das mit dem See durch einen Kanal verbunden wird.

Rundum, von einer zentralen Kuppel überdacht, die die Einheit aller Künste symbolisiert, werden zwei Etagen Empfangs- und Wohnräume enthalten. Fuchs stellt sich allerdings hier kaum Gemälde an den Wänden vor, sondern „illusionistische Wandgestaltungen, in denen Plastik, teils sogar in buntem, edelstein-farbenem Glasguß, und Bild zu einer Einheit verschmelzen... Das Bild ist in der Privatsphäre nicht mehr ästhetische Verzierung, nicht mehr Ausstellungsstück, das einmal dahin, einmal dorthin gehängt wird, je nach Tapete und Mobiliar. Es ist vielmehr wie eine Keimzelle der menschlichen Welt anwendbar“. Alle Formen, die hier für Grund-und Aufriß, für Durchgänge usw. verwendet werden, ' haben symbolischen Charakter, fügen sich nahtlos zu einem Gesamtkunstwerk, in dem alles komponiert, aufeinander abgestimmt ist. Um eine Vorstellung zu vermitteln, verweist Fuchs schon jetzt auf die Phantasiearchitekturen seines Bildes „Hiob und das Urteil des Paris“, dessen magisch beleuchteter Zentralkuppelraum mit den labyrinthischen Grottengängen zu beiden Seiten Vorbild ist.

Nach außen hin wird sich der Bau geschlossen präsentieren: Nur kleine Öffnungen lassen Licht einströmen. Dazu Fuchs: „Die meisten Fassaden sind heute ein schlechter Witz. Was uns Cor-busier aufgehalst hat, werden wir nun nicht los. So funktionell und dem Menschen adäquat ist die neue Architektur gar nicht, hingegen sehr oft sehr häßlich. Die Fassaden lassen zuviel Schmutz und Lärm ins Haus dringen. Und gerade in dieser Hinsicht ist der Mensch verwundbar. In meiner Villa soll der Mensch geschützt, geborgen sein ...“

Ein Problem bietet sich allerdings noch bei der Betonverschalung, für die er eine sehr feine ornamental gelöste Stuckierung vorsieht: „Da fehlen natürlich einstweilen noch die Fachleute, die Handwerker, die diese Details perfekt realisieren.“ Auch für die Außenansicht bietet Fuchs ein malerisches Modell an, das indes nur das Fluidum dieses Baues wiedergeben soll: sein „Observatorium“, ein Aquarell mit Bleistift, das er 1965 geschaffen hat. Vorstudien für die Innenausstattung treibt Fuchs ja seit langem: Traumhaft schöne halbrunde Fauteuils mit phantastischen bunten Holzintarsienwänden und saftig-grünen Lederbespannungen für die eigene Wohnung sind im Entstehen, bunte Metallfau-teuils, das heißt vorderhand noch Prototypen, bereits fertig. Die neueste Kreation ist ein hoher schlanker Röhrensessel in blankpoliertem Chrom. Die Medusa, die die vordere Kante der Sitzfläche zieren wird, bereitet er eben für den Messingguß vor. Als Projekt noch nicht so weit fortgeschritten ist die kleine Privatkapelle für Wien, mit der Ernst Fuchs eine Erneuerung der religiösen Architektur im Sinne des verschollenen Stils anstrebt. Ein kleiner Raum, der zum Altar hin stark ansteigt und über dem auch die Decke sich himmelwärts wölbt und wo die Lichteinfallschlitze eingebaut sind. Fuchs entwirft den Bau gratis, nur damit er „endlich einmal diesen Wunschtraum realisieren“ kann: „Wenn schon Mäzene, von denen es in Österreich viel zuwenig gibt, Phantasie haben, dann soll man sie auch mit Ideen unterstützen, ihnen helfen, großartige Dinge zu errichten.“ Die Ausstattung wird hier zwar weniger reich sein als in der Villa, soll aber vor allem durch das Raffinement der Formen und Farben überraschen. Trotz der vielen Arbeiten pendelt Fuchs zwischen London, wo er eben eine große Gemäldeausstellung bei Marlborough vorbereitet, Paris, Wien und — nicht zu vergessen — Jerusalem, wo er ein Seminar für Malerei leitet, hin und her. Als geschicktester Manager seiner selbst, der sich gerade bemüht, besonders wichtige seiner frühen Gemälde zurückzukaufen — ganz nebenbei, es geht da meist um runde sechsstellige Zahlen —, als Prophet der eigenen mystischen Kunsttheorie vom „verschollenen Stil“, als Propagandist der „Architectura caelestis“. Nicht zuletzt natürlich als Bühnenbildner: Da ist er immer wieder gefragt. So hat er jüngst im Volkstheater die Dekorationen zu Daneks „Vierzig Irrtümern des Herodes“ entworfen. Und mit dem Chef der Hamburger Oper, Rolf Liebermann, verhandelt er wegen der kompletten Ausstattung zu einer neuen Inszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“, einer Show mit aller erdenklichen Phantastik, die zu Wieland Wagners Purismus ein neues Gegengewicht schafft.

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