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Farben im Kreuzfeuer…

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„Eine Otto-Wagner-Villa steht heute angeschmiert und auffrisiert wie eine Vorstadtprostituierte an der Hüttelbergstraße. Sie wartet aufs Geschäft’: Also ritt der junge in New York lebende Architekturkritiker Bernhard Leitner vor kurzem in einer Tageszeitung eine Attacke gegen Wiens Phantastenpapst und Malprofessor Ernst Fuchs. „Unverständlich’ kontert der international bekannte Maler: „Alles Neid? Ich habe Millionen aufgewendet, um dieses Haus Wagners vor dem endgültigen Verfall zu retten; niemand wollte dafür auch nur einen Schilling geben. Ich habe hier buchstäblich von Grund auf, also vom Trockenlegen des sumpfigen Bodens an, alles erneuert, mit den besten Materialien nicht gespart…Und jetzt dieser Vorwurf? Das Denkmalamt war mit allem einverstanden!’

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„Eine Otto-Wagner-Villa steht heute angeschmiert und auffrisiert wie eine Vorstadtprostituierte an der Hüttelbergstraße. Sie wartet aufs Geschäft’: Also ritt der junge in New York lebende Architekturkritiker Bernhard Leitner vor kurzem in einer Tageszeitung eine Attacke gegen Wiens Phantastenpapst und Malprofessor Ernst Fuchs. „Unverständlich’ kontert der international bekannte Maler: „Alles Neid? Ich habe Millionen aufgewendet, um dieses Haus Wagners vor dem endgültigen Verfall zu retten; niemand wollte dafür auch nur einen Schilling geben. Ich habe hier buchstäblich von Grund auf, also vom Trockenlegen des sumpfigen Bodens an, alles erneuert, mit den besten Materialien nicht gespart…Und jetzt dieser Vorwurf? Das Denkmalamt war mit allem einverstanden!’

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Stein des Anstoßes war in erster Linie die farbliche Erneuerung des Hauses, das jetzt in leuchtendem Blau und Weißgrün sich präsentiert. Grün-Orange-Rot prangt die Kassettenmalerei im vorspringenden Dach, golden leuchten die neuen Türbeschläge, in gedämpftem Ocker-Rot die Sockel der japanischen Vasen in den Nischen links und rechts des Säulenportals… Vieles wurde Fuchs nun vorgeworfen: der weiße Marmorfußboden, eine „mißverstandene Schauornamentik der Decke’, die Fuchs in Blau-Gold bemalt hat…„Geschmacklosigkeit’ nannte man seine selbstentworfenen Türgriffe, die notwendig waren, weil die originalen gar nicht mehr existierten, „geschmacklos’ auch die selbstentworfenen Oherubstapeten und -be- spannungen. Und vor allem gingen die Wellen der Empörung hoch, weil er seine große Esther-Figur, deren zweiter Abguß im Dali-Museum surrealistischer Kunst in Figuerras aufgestellt wird, auf die Eingangs terrasse vor die Säulenfront stellte… „Provisorisch’, wie Fuchs betont: „Der Sockel hat noch nicht die richtige Höhe, das Gitter muß erst wieder montiert werden…’

Nun, Fuchs selbst, von seiner Aufgabe dieses Meisterwerk Otto Wagners vor dem Zusammenbruch zu retten, mit Enthusiasmus erfüllt, ist darüber empört. In einem Telegramm an die ihn attackierende Tageszeitung warf er dem Kritiker „Unfairneß’ vor: „Das Haus ist unfertig, alles erst im Werden! Ich bemühe mich zu retten, was zu retten ist. Die Bausubstanz bleibt erhalten, wie sie war. Kein Ornament wird entfernt, kein Ofen weggeworfen, jedes Gitter wiederhergestellt. Sogar Wagners Steingutbadewanne wollen wir restaurieren. Ich habe bereits vier Millionen investiert, um das völlig durchnäßte Haus und den Moorgrund trockenzulegen. Übrigens, daß man mir jetzt ausgerechnet die Wahl der Farben vorwirft, zeugt von genügend Unkenntnis: Das

Blau der Türen und Fenster ist original, das Farbprogramm der Fassade dem Historismus entnommen. Vorbild war mir die Zeit, in der Otto Wagner dieses Haus gebaut hat, Vorbild war mir Wagner in seinen Projekten und natürlich der Vater der Ringstraße, Theophil von Hansen, der sich für die gewagtesten Farbzusammenstellungen eingesetzt hat. Am Parlament in Wien sahen Sie Proben, wie er die Fassade bemalen und vergolden wollte. Hansen wie Wagner haben sich dabei auf Farbvorstellungen der Antike berufen. Und wenn man mir außerdem vorwirft, daß diese Farben grell sind, muß ich sagen: Bei diesem feuchten Klima sind sie spätestens in zwei Jahren so blaß, wie ich sie mir vorstelle. Man sollte sich solche Kritik doch wenigstens überlegen, bis alles fertig .’nnls £b T

Bei einer Führung durchs Haus zeigt Fuchs, was er alles erneuert hat: „Man wirft mir den Marmorfußboden vor’, ärgert er sich, „da schauen Sie, weiße Marmorstufen, geschwungene Marmorsockel mit Messinggeländern; das ist .original Wagner1, auch die weißen Kamine, die weißen Täfelungen, der weißgoldene Stuck…Wagner hat natürlich manches beim großen Klassi- zisten Kornhäusel gelernt; und darauf kann man ja auch zurückgreifen!’

„Daß ich aber meine eigenen Seidenbespannungen und Tapeten verwende, muß man mir doch wenigstens zugestehen’ findet Fuchs: „Ich bin ja nicht Otto Wagner, daß ich bis ins letzte Möbelstück seinen Geschmack kopieren muß. Das Haus soll ein Museum des phantastischen Realismus werden sowie Dali in Figuerras sein großes Museum surrealistischer Kunst eröffnet. Hier will ich die Hauptwerke der Wiener. ‘Schuld: tedigöfi’ Airtd ‘jürigeh1 Künstlern die Möglichkeit geben, ihre Arbeiten vorzustellen. Das Museum wird frei zugänglich sein. Ich bin sicher, daß es international eine Attraktion werden wird!’

Kurz: überall lehnt Fuchs sich

„streng an Wagner an’: selbst im Badezimmer Wagners und im Schlafzimmer: die originalen Mosaiken werden restauriert, Säulen in Kunststein nachgegossen, die alten Einbauschränke des Schlafzimmers erneuert, die Girlandenstuckaturen kopiert… Nur im zweiten Stock, im ehemaligen Dachboden, hät Fuchs ein Atelier eingerichtet, wo er malen und modellieren will. Und für die Gesundheit hat er sich im Keller eine Sauna eingerichtet: Hofft er jetzt: „Aber die wird doch wohl meine Kritiker nicht stören!’

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