Spannende Konfrontation

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Das Wiener Bank Austria Kunstforum präsentiert Frauenkunst vom Impressionismus bis zur Gegenwart.

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Das Wiener Bank Austria Kunstforum präsentiert Frauenkunst vom Impressionismus bis zur Gegenwart.

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Jahrhundert der Frauen" - der Ausstellungstitel irritiert. Erstens suggeriert er etwas, das sich tatsächlich nur partiell eingelöst hat. Zweitens bürdet er Frauen damit die ganze Verantwortung für die Grausamkeiten dieses Jahrhunderts auf, wo sie doch tatsächlich herzlich wenig mitzureden hatten. Drittens impliziert er sogleich ein Ablaufdatum: Das "Jahrhundert der Frauen" - hat es doch gerade erst begonnen - geht in wenigen Monaten auch schon wieder zu Ende. Allzu lange ist es mit der Emanzipation nicht her. Noch in den 80er Jahren, dominiert durch das Aufkommen der "Neuen Wilden", waren Künstlerinnen in den meist von Männern gestalteten Ausstellungen unterrepräsentiert. Insofern ist die von Ingried Brugger im Kunstforum kuratierte Schau mit mehr als 200 Werken von 50 Künstlerinnen ein großer Gewinn für Wien. Sie kommt gerade zurecht in einer Zeit, in der so mancher Politiker die Frau nicht ungern wieder an den Herd binden würde. Die Ausstellung ermöglicht dem Betrachter aber nicht nur ein Nachdenken über die "sozialen Konstruktionen von Weiblichkeit" und die Bedingungen von kunstschaffenden Frauen in Österreich seit 1870. Sie ist mit vielen herausragenden Exponaten auch ein visuelles Ereignis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Angesichts der großartigen Landschaftsbilder von Tina Blau wie "An der Friedhofsmauer" (1887) fragt man sich, warum Frauen solange auf Anerkennung warten mußten. Dabei kam gerade Tina Blau durch ihre ungewöhnlich gute Ausgangssituation und die Unterstützung des Vaters im Unterschied zu Kolleginnen wie Marie Egner schon sehr früh zu Erfolg.

Als eines der Hauptthemen erscheint beim Rundgang die Thematisierung der Körperlichkeit. Nicht etwa, weil dies ein spezifisch weibliches Thema wäre. Vielmehr haben Jahrhunderte männlich dominierter Malerei den weiblichen Körper zum Hauptthema der Kunst erklärt. So scheint es allzu verständlich, daß es eines der Anliegen weiblicher Kunstschaffender war, diesen männlichen Blick zu relativieren und ihm einen anderen, ihren eigenen, gegenüberzustellen.

Gleich zu Beginn findet man eine spannende bildliche Konfrontation. An der Stirnwand thront das Aktbild "Marietta" (1907) von Broncia Koller-Pinell. Das Querformat läßt in dem ornamentalen Bildaufbau und dem Thema den Einfluß Gustav Klimts erkennen, in dessen Umkreis die Malerin sich bewegte. Wie auf Klimt-Gemälden sitzt eine weibliche Figur "nackt" vor einem teilweise goldenen Hintergrund. Die transportierte Aussage ist eine gänzlich andere. Nicht eine verführerische, passive Femme fatale blickt aus dem Bild. Vielmehr sehen wir eine junge Frau, die in ihrer verschreckten Körperhaltung und dem zugleich selbstbewußten direkten Gesichtsausdruck eine Mischung aus Ausgeliefertsein und Bewußtheit ausdrückt. Direkt unter dem Gemälde ist die Videoinstallation "I beat it" (1980) von Valie Export plaziert. Auch hier geht es um das Bild des weiblichen Körpers aus der Sicht der Protagonistin feministischer Kunst in Österreich. Inmitten einer intensiv riechenden Ölwanne schwimmt ein Foto der nackten, gefesselten Künstlerin. Sie wird von drei Hunden aus Monitoren ständig angekläfft. Diese stehen, so Export, für den "ständigen Appell, den Vater Staat, Mutter Natur und männliche Ideologie" an Frauen richten.

Subtil thematisiert Ruth Schnell gegen Ende der 90er Jahre Körperlichkeit in Überschneidung mit den medialen Wirklichkeiten. So projiziert sie in "Positionen" bewegte Videoaufnahmen von nackten Beinen auf weiße Papiertragtaschen - wodurch Assoziationen an Verletzlichkeit im Trubel der Alltagsrealität geweckt werden. Nur mehr die Hülle von Weiblichkeit bleibt in den "Schränken" von Irene und Christine Hohenbüchler über: Kleider der Großmutter und der Kuratorin hinter Glas, etwa ein traditionelles Hochzeitskleid, symbolisieren tiefverankerte Frauenbilder und reale oder erworbene Mädchen-Sehnsüchte. Andere spannende Querverbindungen ergeben sich etwa zwischen den meisterhaften Keramiken wie "Phyllis"(1919) der Wiener Werkstätten Künstlerin Vally Wieselthier und den bunten Büsten von Kiki Kogelnik aus den 70er Jahren wie "Sleepy".

Am Ende der Schau bleibt zu hoffen, daß das 21. Jahrhundert zu einem wird, in dem Künstlerinnen und Künstler selbstverständlich nebeneinander bestehen und sich eigene "Sonderausstellungen" erübrigen, in denen betont werden muß, daß es großartige Künstlerinnen in diesem Land gibt.

Bis 2. Jänner 2000.

Bank Austria Kunstforum, 1010 Wien, Freyung 8.

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