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Rerum novarum

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Das Vorwort zur Rerum novarum Leos XIII. bilden seine vorausgegangenen Enzykliken. Sie beginnen mit der „Inscru-tabili Dei Consilio“ vom 21. April 1878. Die Kirche wird als Impuls der sozialen Entwicklung, auch als ihre Hürde vor dem Abgrund, gezeichnet. Folgerichtig ruft die „Quod apostolici muneris“ schon am 28. Dezember 1878 die, Bischöfe zum Arbeiterschutz auf. Ihre Erfahrungen verwertete die „Immortale Dei“ vom 1. November 1885; sie umriß die neue „Sozialpolitik“ Leos. Sie ist eine äußerst geschickte Anwendung von Theologie und curialer Tradition auf die demokratischen Anliegen der Zeit. Schließlich rekapituliert die „Sapientiae Christianae“ vom 10. Jänner 1890 die Bürgerpflichten des Christen in der seit 1789 revolutionierten Welt.

Auch eine Reihe tiefwirkender Ereignisse klammern Rerum novarum. 1887 erfolgte das mutige Eintreten des nordamerikanischen Kardinals Gibbons von Baltimore für die „Knights of Labour“, die in den USA arbeitsrechtlich, auch durch Streiks, entscheidenden Einfluß nahmen. Ein Jahr darauf begann der „schwarze Kreuzzug“ des Kardinals La-vigerie gegen die afrikanische Sklavereil 1889 fällt die Schlichtung des Londoner Hafenarbeiterstreiks durch Kardinal Man-ning. Was den Schiedsrichtern, dem anglikanischen Bischof und dem Lordmajor von London, nicht gelang, gelang Manning, dem „Arbeiter“-Kardinal. Er bewirkte den Klassenfrieden auf den Docks. Damit war ein nachahmenswertes Beispiel kirchlich-sozialer Wirksamkeit gesetzt. Unmittelbar ein Vorbote der Rerum novarum war schließlich die — vom Vogelsang - Kreis . inspirierte — Thronrede, die „kaiserliche Rerum novarum“ Franz Josephs I., am 11. April 1891.

Ausgelöst wurde Leos Rundschreiben auch durch theoretische Erwägungen hervorragender Katholiken, Priester und Laien aus aller Welt, durch ihre sogenannten „Runden“. Die erste bestand bereits am Vatikanischen Konzil 1870. Ihr „Schema de conditione operariorum“ entwarf wahrscheinlich Kardinal Mermil-lod. Fortgesetzt wurde die Ausspradie in der „Genfer Vereinigung“ 1872. Und da geschah es, daß der Österreicher Gustav Graf Blome die Bedeutung der Arbeiterbewegung und Arbeiterfrage für das seit 1870 unterdrückte Papsttum nachhaltigst unterstrich. Auf diese Weise kam man in den siebziger Jahren von der am Feudalstaat bislang noch orientierten Kirchenpolitik zur kirchlichen Sozialpolitik! Neben Adel und Bürgertum wurde erstmalig auch die Arbeiterschaft als Faktor im vatikanischen Einsatz erkannt und in Einem die Befreiung des Papstes und der Arbeiterschaft proklamiert.

Für die Rerum novarum bedeutsam wurde dann der „Circolo dei studi sociali ed economiche“ in Rom 1882/83. Ihn leiteten die Kardinäle Jacobini und Mermillod. Spiritus rector war auch hier ein Österreicher: Franz Graf Kuefstein, dem übrigens Leo XIII., wie berichtet wird, die „Korrekturbogen“ der Rerum novarum vor ihrer Veröffentlichung. zur Einsicht nach Viehofen bei St. Pölten schickte.

Österreicher formten auch die „Freie Vereinigung katholischer Sozialpolitiker“ in Deutschland 1883/88 unter dem Präsidium des. Ka^l Fürst zu Löwenstein. Aus Wien berief er die Träger der Vogelsang-Schule: P. Albert Maria Weiß, die Prälaten Schindler und Scheicher, die Grafen Kuefstein und Blome, den Apostel der Wiener „Tramwaysklaven“, den Pfarrer Eichhorn, und Karl Scheimpflug.

Die „Österreichische Monatsschrift für christliche Sozialreform“, deren erstes Heft Vogelsang 1879 herausgab, war das Organ der „Runde“; ihre Redaktionsstube in Wien — das geistige Zentrum sowohl des österreichischen wie auch des

deutschländischen Sozialkatholizismus der achtziger und neunziger Jahrel

Darüber hinaus informierte die Vogelsang-Schule auch die katholisch-soziale „Runde“ in Paris, den „Conseil des etudes de l'oeuvre des cercles catho-liques d'ouvriers“, den Studienbeirat der katholischen Arbeitervereine Frankreichs, die der Industrielle Maignen schon 1852 gründete. Und ebenso regimentierte die Vogelsang-Schule die bekannteste und berühmsteste Arbeitsgemeinschaft vor Rerum novarum: die „Union de Fribourg“ 1884/91, die katholisch-soziale Internationale, deren Thesen 1884, 1886 und 1889 vielfach im Leoninischen Freibrief der Arbeit wieder zu finden sind.

So darf das katholische Österreich den 15. Mai, den Geburtstag des modernen Sozialkatholizismus, mit dem erhabenen Bewußtsein feiern, hiebei in hervorragender Weise mitgewirkt zu haben.

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