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Expedition ins Ungewisse

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SIE SEGELTEN NACH DEM ABENDSTERN. Eine Geschichte der Erstentdeckungen. Von Ian Cameron. Henry-Goverts-Verlag. 389 Seiten. DM 22.—.

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SIE SEGELTEN NACH DEM ABENDSTERN. Eine Geschichte der Erstentdeckungen. Von Ian Cameron. Henry-Goverts-Verlag. 389 Seiten. DM 22.—.

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Der Verfasser des Buches, das in vortrefflicher Übersetzung aus dem Englischen vorliegt, ist ein erfahrener Seemann, der dank der Beherrschung aller Zweige der Nautik für manche Rätsel längst vergangener Entdeckungsfahrten sinnvolle Lösungen sucht, die eine starke Überzeugungskraft besitzen. Seine Gabe, schwer erklärbare Vorgänge zu deuten, offenbart sich vor allem bei der Untersuchung der Reisen im Altertum und Mittelalter. Er beginnt mit der Expedition der Königin Hat- schepsut nach Punt, errechnet den Auslauf der Schiffe mit dem 1. Juni 1493 und bringt neue Anhaltspunkte für die Lage des Goldlandes in Mocambique. Aus dem kräftigen Hintergestell der Fürstin von Punt auf der bekannten Freske schließt er, daß sie eine Hottentottin war, während die herrschende Meinung Elephantiasis annimmt. Der von Herodot überlieferte Periplus, die Umseglung Afrikas (600 bis 597), angeregt durch die Suche nach der zuerst auf den Kanarischen Inseln ge-

fundenen Purpurflechte, ein Ersatz für die Purpurschnecke, wird eingehend geschildert, und dafür, daß die Reise nicht wiederholt wurde, angeführt, daß sie als Verlustgeschäft der Vergessenheit verfiel. Die sechs jährige Fahrt des Pytheas aus Marseille, an welche die Orkney- Inseln erinnern, deren Namen auf die von Pytheas gewählte Bezeichnung Orcas zurückgeht, wird eingehend verfolgt und die Annahme, daß Ultima Thule in Island zu suchen ist, erhärtet. Aus der „Navigatio Sancti Brendani“ (870), einer Sammlung von Reiseberichten, wird das Vordringen irischer Seefahrer bis zu den Bahamas und Jamaika abgeleitet, sowie, daß irische Mönche in der Chesapeake Bay landeten und die Appalachen überschritten. Darüber, daß dem ersten verbürgten Entdek- ker Amerikas, Leif Erikson, weitere Reisen der Skandinavier folgten, gibt die Aufzeichnung über die Mission des Paul Knutsen (1361), der bis zu den großen Seen vordrang, im Staatsarchiv von Oslo Auskunft.

Der zweite Teil des Buches bringt eine Auswahl aus dem Goldenen Zeitalter der Entdeckungen, beginnend mit der Umschiffung des Kap

Bojador durch Gil Eanes (1434), welche die Reihe der Entdeckungsfahrten der Portugiesen ermöglichte. Die sonderbare Verbindung portugiesischer und dänischer Seefahrer, die 1472 von Island über Grönland nach Labrador gelangten, berechtigten die Portugiesen in Jao Vaz Cor- tereal den Vorläufer des Columbus zu feiern. Der Verfasser erwähnt die überraschende Tatsache, daß Portugal aus dem neufundländischen

Fischfang mehr als doppelt soviel einnahm, als die Spanier aus ihren Kolonien. Den Höhepunkt der Erzählung bildet die Beschreibung der Erdumseglung Magellans. Es folgt die Würdigung der Suche nach der nordöstlichen Durchfahrt durch Willem Barent (1596), der Spitzbergen und Nowaja Semlja entdeckte, die Fahrt des Pedro Fernandez de QUITOS, welcher zu Ehren der Casa de Austria der kleinen Insel Austrians del Espiritu Santo den Namen gab, entlang der Südküste von Neuguinea fuhr, die Torresstraße passierte und 1606 Australien entdeckte. In dem James Cook gewidmeten Kapitel schließt sich der Verfasser der Annahme über die Herkunft der Polynesier aus Südamerika an.

Der dritte Teil hat die Polarforschungen zum Inhalt, das Vordringen William Edward Parrys in der Arktis (1819), die Entdeckung der Antarktis durch James Clark Ross (1840 bis 1843), die tragische Fahrt George Washington De Longs (1879) auf der „Jeanette“, auf deren Spuren die „Fram“ Fritjof Nansens 1896 den 86. Breitengrad erreichte, eine Leistung, die erst durch die Fahrt des Nautilius unter dem arktischen Eise 1958 übertroffen wurde. Das Buch Camerons bietet reiche Belehrung über die Erforschung der Meere und der Übersee und zugleich eine spannende, mit den Abenteuern kühner Seefahrer gesättigte Lektüre, welche Alt und Jung nicht aus ihrem Bann läßt.

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