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Botschaft aus der Vergangenheit

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Die altgermanische Dichtung. Von Andreas Heusler. Hermann-Gentner-Verlag, Darmstadt. VIII und 250 Seiten, 62 Abbildungen. Preis 22 DM.

Der in Basel 1865 geborene und 1940 ebendort verstorbene Germanist, der sich bereits während seines Berliner Lehramtes zwischen 1890 und 1919 weite Beachtung zu verschaffen wußte — 1914 erschien sein Buch über die Anfänge der isländischen Saga —, wurde zuletzt der Fachwissenschaft ein vertrauter Berater. Berühmt durch die Gründlichkeit seiner Forschung, der srch eine mit dichterischer Glut angehauchte Sprache zugesellte, durch die klare Lebenshaltung und den präzisen Ausdruck, hat er mit seiner Darstellung der altgermanischen Dichtung, die in das Handbuch für Literaturwissenschaft, das Oskar Walzel herausgab, mit Recht als bleibendes Denkmal einging, das 1923 erstmals herausgegebene Buch immer wieder durchdacht, Wo für Wort gewogen und gefeilt und für die zweite Fassung die Abschnitte 18 bis 20 vermehrt. Völlig neu hinzu kamen die im XVIII. bis XX. Teile stehenden Abschnitte 154 bis 190 über die Isländische Saga, ihren Werdegang und Stil, über die Isländerfabeln, die Königsgeschichten und die Vorzeitsagas. Die isländische Literatur, ein Teil der altnordischen, übernahm frühzeitig schon die Führung vor jener des Mutterlandes Norwegen. In der Sammlung „Thüle“ (24 Bände, 1911 bis 1930) ist uns ja die altnordische Dichtung erschlossen worden. Familiengeschichten aus der Zeit vor der Besiedlung Islands im Jahre 870 reichen etwa bis 1030 — darunter auch die Berichte von der Einführung des Christentums in der Njals-Saga. Königsgeschichten sind Snorris „Heimskringla“. Heuslers geschichtliche und kulturhistorische Ausführungen zeichnen sich zu allem durch ihre methodisch zwingende Linienführung aus.

Die deutsche Dichtung des Mittelalters. Von

Julius Schwietering. Hermann-Gentner-Verlag, Darmstadt. IV -nd 312 Seiten, 16 Bildtafeln, 130 Abbildungen im Text Preis 3 5 DM.

In unserer nur dem Tageserfolg nachjagenden Publizistik gereicht es dem erst vor zwei Jahren gegründeten Verlag zur höchsten Ehre, sich der Wiederingangsetzung des germanistischen Teiles eines Standardwerkes, wie dem „Handbuch der Literaturwissenschaft“, zum Vorteil vor allem der Studierenden zu widmen. Die alte deutsche Literatur wird ja — von verschwindenden Ausnahmen abgesehen — noch viel zu wenig über die rein sachliche Seite hinaus nach ihrer allgemein menschlichen gewürdigt. Greifen wir nur das Beispiel des „Ruodlieb“ heraus und man bemerkt sogleich das Gewicht, das der Autor dem ethischen und religiösen Moment zuzuweisen vermag. Die karolingische Mission, die zur Zeit dieser Dichtung mit den bedeutenden bischöflichen Predigern, wie Bardo von Mainz und Benno von Osnabrück, einen Gipfel erklomm, der wegen des bloßen Wissens um lateinische Vorbilder und der mangelnden Kenntnis um die deutschsprachige Form der mündlich ausgeübten Predigt uns nur eine ungefähre Ahnung der Erziehungsarbeit verschaffen kann, vermag ohne den umfassenden, auf hoher Warte stehenden Kommentar, wie er von Schwietering gegeben wird, nicht im entferntesten begriffen werden. Das Werk gliedert sich in die vier Abschnitte: Karolingische Dichtung, Frühromanik (vom geistlichen Lied bis zu dem der Liturgie weitgehend verbundenen Spiel), Romanik (vom Ezzolied an, mit ausführlicher Berücksichtigung Oesterreichs — wie in dem ganzen Buch), Spätromanik und Gotik. Der vielseitige, fortlaufend und im kleineren Druck gehaltene Literaturnachweis genügt durchaus zur ersten Information, um so mehr, da sich die grundlegenden Sonderuntersuchungen darunter befinden. Spezialforscher werden für die letzten Entwicklungen sich ohnehin der üblichen Bibliographien und Dissertationsverzeichnisse bedienen.

Sternfahrten. Ein moderner Autoreiseführer durch Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark von H. E. Friedrich, mit Zeichnungen von G. Trump. Verlag C. W. Leske, Darmstadt. 840 Seiten. Preis 19.80 DM oder 134.60 S.

Zu der deutschen Italiensehnsucht ist seit hundert Jahren auch noch die Skandinaviensehnsucht hinzugekommen. Diese Länder haben eine bald liebliche, bald grandiose, und, im Verhältnis zu uns, noch unberührte Natur. Das Besondere der skandinavischen Natur besteht im Zusammenspiel von Wald und Wasser — es sind die Länder der tausend Seen und der tausend Inseln. Wir wissen heute, daß die norwegischen Fjorde durch eine Senkung der ganzen Landplatte entstanden sind, indem nämlich das Meer in die schluchtigen Flußtäler stürzte. Ebenso dürfte zum Beispiel die Zauberwelt der 6554 Alandsinseln nur durch ein Absinken, welches bloß die Kuppen über Wasser ließ, zu erklären sein. Dieser schönen, wasserbeseelten Landschaft entsprechen auch die skandinavischen Menschen, welche etwas Kühnes und Gemütvolles haben. Die ganze moderne Literatur ist ja von Dänemark, Norwegen und Schweden entscheidend beeinflußt worden. Dazu kommt noch, daß diese nordischen Länder frei und gut regiert werden und daß sie sich die Vorteile einer technischen Entwicklung ohne deren Nachteile anzueignen wußten.

Der sommerliche Reisedrang nach Skandinavien ist darum groß, und so wird auch dieses Buch, das speziell für den Autofahrer geschrieben wurde, für viele von Nutzen sein. Gebiete, die für das Auto schwer zu erreichen sind und auch wenig Gelegenheit zu Touren bieten, wie zum Beispiel Bornholm oder die Alandsinseln, sind nicht berücksichtigt.

Das Sympathische an dem Buch ist, daß der Verfasser durch kluge Einleitungen beim zukünftigen Reisenden sozusagen das Organ bildet, um diese schönen Länder auch wirklich recht aufzunehmen und genießen zu können: durch Schilderung ihrer Geschichte, ihrer Geistesart, ihrer besonderen Lebensweise. Daß bei allem sachlichen Wert — das Buch ist sehr praktisch angelegt, mit allen Angaben, die der Autoreisende braucht — immer wieder eine aufrichtige Liebe zu diesen Ländern und diesen Leuten zu spüren ist, macht das Buch auch sonst, nicht nur für die Reise lesenswert, wozu auch noch die entzückenden Zeichnungen von G. Trump beitragen.

Sigismund von Radecki

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