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Café Österreich im Café Landtmann
Von der Türkenbelagerung bis zur jüngsten Befreiung, von Königgrätz zum Resselpark, vom Dualismus zum Proporz, vom Vormärz und von der Revolution 1848 bis zu der von 1918 und zum März 19Í8: von der Inflation zur Infiltration und vom Einmarsch Hitlers bis zum Abzug der Besatzungsmächte reicht Emst H a g e n s kabarettistische Lesebuchgeschichte Österreichs in der Tribüne. Nicht weniger als vierundzwanzig Szenen umfaßt dies dramatisierte Feuilleton, nicht weniger als zweiundachtzig Gestalten aus der in der Kaffeehausliteratur nachgespürten Vergangenheit bevölkern dies „Café Österreich“ im Theaterkeller des Café Landtmann. Ernst Hagen-, der Autor und Nacherzähler, konferiert in eigener Person seine Brettlchronik: er verbindet die sehr geschickt montierte Auswahl berühmter Wortwitze und Aphorismen, die Polgar, Altenberg und Karl Kraus einst prägten, mit scharfzün- gigem Witz und zahlreichen Pointen aus eigener Feder, die, an den literarischen Vorbildern gemessen, freilich eher blaß und „bekannt" anmuten. Der beschworene Kaffeeolymp versandet im Espressowitz, zusehends dünner sickert die Substanz — vor allem nach der Pause, 1914, als kein Genieblitz Altenbergs mehr zur Verfügung steht, in den Aufguß; der Ersatz, der Kalauer, verwässert das Friedensaroma des Café „Central".
Immerhin führt der Abend zu so manch amüsanter Konfrontation mit Kakaniens bärbeißigem Humor; die querulante Me-
lancholie dieses Landes der unbegrenzten Unmöglichkeiten hinterläßt, und sei es auch nur fragmentarisch, zwangsläufig ihre Spuren; das Publikum folgt willig dem Erlauchten und Erlauschten, den Bonmots und Pointen über Metternich und Grillparzer und Nestroy, Schönberg und Mahler, Friedell und Freud und Hofmannsthai und Schnitzler, — und wen Hagens nicht eben just kompetenter Griff nach den Sternen nicht übermäßig stört-, der hat seine Freude daran. Man muß freilich die Rosinen aus dem Kuchen holen, die Originalzitate aus Hagens Text.
Die Beschwörung uns allen sehr gegenwärtiger historischer Figuren und ihre Darstellung durch Mitglieder eines eher bescheidenen En’sembles ist zweierlei — ein Risiko ergibt das andere —, doch zumindest Emil F e 1 d m a r (als Grillparzer und Peter Altenberg) und Tino Schubert (Metternich, Hermann Bahr) walten mit Würde und viel Persönlichkeit ihres Amtes — und Norbert Kammil (als Karl Kraus) gibt sich alle Mühe. Hinzu kommen Feldmars vorzügliche Charakterisierung eines k. u. k. Obersten und Schuberts vortreffliche Gestaltung eines aus der Irrenanstalt Entlassenen, der Österreichs Gegenwart — sehr zu Recht — nicht begreift. Carl Heinz Friese, Herbert Pachler, Paul Robert und die Damen Susanne Polsterer, Helene Arcon, Gaby Hellberg und Gerda Zangger komplettieren den rotweißroten Reigen. Peter janisch führte unauffällig Regie.
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