7113743-1996_07_16.jpg
Digital In Arbeit

Mit Internet gegen das Mißtrauen

Werbung
Werbung
Werbung

Mehr Zeit als am Telefon und rascher als ein Brief. Das sind nur zwei der Vorteile, die den 3 ljährigen Wiener Theologen und Publizisten aus Wien dazu veranlaßt haben, seine Hilfe via Internet anzubieten. Er ist im deutschsprachigen Baum der erste katholische Pfarrer, der per Bildschirm zur Verfügung steht. Die Idee für die besondere Form der Seelsorge hatte der Jesuitenpater Martin Voill während eines Studienaufenthaltes 1991 in den USA.

Seit Beginn dieses Jahres bietet er Beratung für all jene, die Zugang zum Internet haben. Zweimal täglich öffnet Pater Voill seine Mailbox und beschäftigt sich mit Botschaften, die sowohl Fragen zur Kirche als auch persönliche Probleme betreffen. Durch die schnelle Kommunikation über Computer ist der Gesprächspartner zum Zeitpunkt der Antwort noch in der gleichen Gefühlslage wie bei der Anfrage. Außerdem muß er nicht die Hemmschwelle einer direkten Begegnung überwinden. Die Schweigepflicht gilt natürlich auch hier.

Die Gefahr der „Entfremdung" der Gesprächspartner durch die elektronische Beratung sieht der Theologe nicht. Leute, die sich an ihn wenden, können aufgrund der Anonymität viel offener über ihre Probleme sprechen als bei einem persönlichen Gespräch. „Die Kirche muß schauen, daß sie in der Öffentlichkeit präsent ist", erklärt Martin Voill gegenüber der Furche.

Seit damals ist viel unternommen worden, über die verschiedensten Kommunikationsträger an die Öffentlichkeit zu gelangen. Das Internet ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Das Problem von Fernsehen und Radio, nämlich das einseitige Machtspiel ohne Reaktion, gibt es bei dieser Art von Kommunikation nicht, sagt der Pater. Ausgesprochene Meinungen bleiben nicht diskussionslos in der Luft hängen, sondern es kann gekontert oder zugestimmt werden. Außerdem sei es für die Kirche wichtig, sich auf neue Medien einzulassen, um einem neuen Publikum den ersten Schritt zu erleichtern und zu zeigen, daß man sich vor einer Modernisierung - formell und inhaltlich nicht scheut. Der inhaltliche Dialog über Internet wird möglicherweise neue Ideen in den Alltag der Kirche bringen. Pater Voill: „Ich sehe diesen neuen Zugang als Ergänzungsangebot und Weg, über abstrakte Medien eventuell zur face-to-face-Kommuni-kation vorzudringen." Die ersten Barrieren sind nicht sehr groß. Die einzige Voraussetzung ist der Zugriff zum Internet.

Ein Streitpunkt ist jedoch noch immer die Beichte per Computer. Während der Papst per Fernseher den Segen „Urbi et Orbi" spendet, steht das Sakrament der Buße via Internet noch in der Diskussion. „Bei dieser Art der Verständigung", so Pater Voill, „wäre folgende wichtige Bedingung gegeben: Die Beteiligten müssen zur gleichen Zeit live miteinander kommunizieren. Doch über die endgültige Entscheidung muß noch nachgedacht werden. Die eigentliche Aufgabe der elektronischen Seelsorge ist jedenfalls, Rat und Hilfe rasch anzubieten."

Dieses Angebot wurde bis jetzt täglich genützt. Zu Gesprächspartnern des Jesuitenpaters zählen vor allem junge Leute, die über das Leben in der virtuellen Welt nachdenken und bereit sind, in Form einer eher ungewohnten Methode Kontakt zur Kirche aufzunehmen. Trotzdem scheint es kein Weg mit der Kirche um's Kreuz zu sein, denn der Schritt in Richtung Zukunft weckt in manchem Internet-Surfer Sympathien.

Möglicherweise gibt es bald ein Team der elektronischen Seelsorge, das sich mit den Anfragen beschäftigt, die täglich in der Mailbox eintreffen. Hinweis: Pater Voill ist im Internet unter dem Thema „Rat und Hilfe" zu erreichen:

http://www.Austria.EU.net/ka-thweb.

Die Autorin ist

freie Mitarbeiterin der Furche.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung