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Rühmen Schlager des Ewigen Ehre?

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Zum zweitenmal binnen Jahresfrist hat sich in diesen Wochen eines der „religiösen Schlagerlieder“ der Dominikanerin Soeur Sourire in der Schlagerparade des Wiener Rundfunks in die Spitzengruppe vorgeschoben — durch tausende Zuschriften aus dem Radiohörerpublikum und unter dem Beifall von Fans im Übertragungssaal, die man einmal Aug in Aug gesehen haben muß, um das Wunder dieses Triumphes ganz ermessen zu können ...

Pater Duval, geistlicher Bruder der Soeur Sourire, füllt jeweils, wenn er in Wien singt, den größten Konzertsaal.

Der Dritte im Bund ist —

— ja, wie heißt er denn nun wirklich, der Dr. rer. pol. und Direktor einer Fluggesellschaft in Deutschland, dem tausende Jugendliche unter seiner Fahne, das heißt, unter seinem volkstümlichen Decknamen .. Ralph Bendix, auf'JSgine^ Slegeszug.^ als Sängex religiöser Schlager folgen? Nicht “'einmal Pfarrer Dr. Klinkhammer, der Leiter der Düsseldorfer Mittwochgespräche, der Bendix kürzlich zu einem temperamentvollen öffentlichen Gespräch über das Thema „Hat der religiöse Schlager noch Zukunft?“ eingeladen hatte, nannte seinen richtigen Namen.

Die geistlichen und weltlichen Teilnehmer des Forums haben dem Sänger, dessen populärster Schlager „Danke schön“ in Legionen von Schallplatten verbreitet ist, nichts geschenkt. Er konterte geschickt und ging weit, weit zurück in die Geschichte des Kirchenliedes, die zum Teil richtige — Gassenhauer vergangener Zeiten mit neuen Texten seien! Ein sentimentaler Schlager des 15. Jahrhunderts beispielsweise, „Innsbruck, ich muß dich lassen“, kam als Kirchenlied „O Welt, ich muß dich lassen“ beziehungsweise „O heilige Seelenspeise“ zu neuen Ehren. Noch „schlimmer“: Der Choral „O Haupt Voll Blut und Wunden“ war einmal ein Tanzlied mit dem Text: „Ein Mägdelein hat mir verwirrt mein Herz, Gemüt und Sinn.“ Einziges Trostpflaster, das Bendix dazu seinen Zuhörern verabreichen konnte, war Luthers Klage: „Warum soll man dem Teufel alle diese schönen Melodien überlassen?“

Eine Einschränkung machte Bendix gleich selbst: Ob und wieweit religiöse Texte im ^chlage,?-. ajf,, ,religiöse. Aussage empfunden werden, läßt sich nicht, abschätzen. So hat schon bei einer früheren Diskussion einmal der evangelische Pfarrer Heß über den folgenden Text eines von Bendix gesungenen Schlagers: „...wer bewirkt das Wunder, daß sich zwei verstehen? Wer sagt einem Samenkorn, du wirst ein Baum? Wer zeigt jedem Stern die Bahn im Weltenraum? Wer läßt uns hoffen, wenn auch alles sinnlos scheint? Wer weiß, ob die Tränen echt sind, die man weint? Er, der alles kann, glaube mir, hält Seine Hand auch über dir“,

herb kritisierend bemerkt: „Da zielen Sie und Ihr Schallplattenproduzent doch unverhohlen auf die Lindenblattstelle der deutschen Seele. Im übrigen weiß ich nicht, was diese Platte im christlichen Sinn verkündet.“

Noch ein Einwand gegen die große Anzahl religiöser Schlager war hörenswert: die „schnulzenartige“ (wir sagen hier in Österreich: kitschige) Verpackung, unter der sie der Masse oft schmackhaft gemacht und von der Aussage hochgeputscht werden. Dafür nun haben wir gerade in Wien Verständnis, wo das tägliche „Gut aufgelegt“ und die samstägige „Parade“ unterschiedslos mit unerträglicher Affektiertheit und Wichtigtuerei angesagt werden.

Uber alles Für und Wider religiöser Schlager aber einmal frisch von der Leber weg gesprochen zu haben, ist ein Verdienst der Düsseldorfer Begegnung. Man macht sich Gedanken. Entschieden ist noch nichts, alles ist im Fluß. Vielleicht ist es eine Sackgasse, vielleicht aber auch nur ein weiterer Schritt der Kirche in die Welt hinein, das Volk und alle Völker zu lehren ...

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