6546711-1947_19_07.jpg
Digital In Arbeit

Theaterbrief vom Bodensee

Werbung
Werbung
Werbung

Die Vorarlberger Landesbühne stand vor kurzem im Mittelpunkt einer Debatte im Landtag, dessen Linke die Höhe des Zuschusses aus öffentlichen Mitteln beanstandete. Es war dem Regierungssprecher nicht schwer, darauf hinzuweisen, daß es sich hier um einen Wert handle, der mit dem Rechenstift nicht ganz zutreffend auszudrücken sei.

Tatsächlich bietet der Rückblick auf anderthalb Jahre Arbeit der Vorarlberger Landesbühne eine sehr befriedigende Bilanz. In einem Lande mit insgesamt 160.000 Einwohnern konnte sie vom Anfang an nicht damit rechnen, gewinnbringende Serienaufführungen geben zu können. Uberdies bringen es die Verhälnisse eines Landes ohne zentral gelegene Haupstadt mit sich, daß ein Theater von vornherein als Wanderbühne aufgebaut sein muß, die hohe Transportkosten erfordert. Trotz allem brachte es die Landesbühne in knappen eineinhalb Jahren auf nicht weniger als 308 Aufführungen, darunter 19 im Ausland, mit (bis einschließlich 15. April 1947) 122.212 Gesamtbesuchern — immer festzuhalten: in einem bevölkerungsmäßig kleinen Land.

Ein Blick auf das Repertoire zeigt vom bereditigten Selbstvertrauen der Theaer-leitung und vom Niveau der Darstellerschaft. Die Aufführungen begannen mit Schönherrs „Erde“, der das „Apostelspiel“ von Meli und die „Bestrafte Spröde“ von Lope folgten. Die nächsten Darbietungen waren der „Zerrissene“ von Nestroy, das „Konzert“ von Bahr, und Schillers „Kabale und Liebe“.in die Bregenzer Festwoche vom August 1946 fielen Mells „Sieben gegen Theben“, dessen große Komparserie besondere technische Anforderungen stellte. Im vorigen Herbst sah man den „Löwen von San Marco“ von Impekoven, Grillparzers „Ahnfrau“ und zu Allerseelen das erschütternde Mysterienspiel des Johannes von Saaz „Der Ackermann von Böhmen“. Romain Rollands „Tod und Liebe“ folgte das liebliche Weihnachtsmärchen von Ginzkey „Das verlorene Herz“. Das beginnende Jahr 1947 brachte Schönherrs „Kindertragödie“, den „Tollen Tag“ von Beaumarchais, den „Kreidekreis“, nach dem Chinesischen von Klabund, dessen Inhalt nicht nur eine lebhafte Pressedebatte, sondern sogar eine öffentliche Disputation hervorrief, sowie zwei Operetten, das „Rendezvous am Bodensee“ von Wilhelm Stärk und „Frühling im Wienerwald“ von Asdier. Für den 26. Mai ist die Premiere der „Maria Stuart“ mit Traute Foresti in der Titelrolle angesetzt.

Das Repertoire macht das Bestreben ersichtlich, Klassisches und Modernes, Eigenes und Fremdes wechseln zu lassen. Die Serienaufführungen des „Rendezvous am Bodensee“ in der Schweiz und die zahlreichen Anfragen, die an den Komponisten aus Westdeutschland und selbst aus Dänemark gerichtet werden, beweisen, daß die österreichische Operette nach wie vor ihre Geltung hat.

Interessant ist die Reaktion des Publikums auf die einzelnen Stücke. Mit 40 Aufführungen und 13.379 Besuchern steht das „Rendezvous am Bodensee“ an der Spitze beider Tabellen. Die zweithöchste Besucherzahl (9711) hatte das „Verlorene Herz“,während das zweithäufigst gegebene Stück, die „Bestrafte Spröde“ mit 30 Aufführungen war. An dritter Stelle seht nach beiden Gesichtspunkten „Erde“ (23 Aufführungen mit 9152 Besuchern).

Vom Herbst 1947 wird die Vorarlberger Landesbühne auf eine neue finanzielle Basis gestellt werden; von der künstlerischen Führung kann man nur wünschen, sie bleibe, wie sie ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung