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Der Dilettant als Politiker

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Ohne Auftrag In BerUn. Von Sven Hedin. Internationaler Universitätsverlag, TübingenStuttgart. 279 Seiten

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Ohne Auftrag In BerUn. Von Sven Hedin. Internationaler Universitätsverlag, TübingenStuttgart. 279 Seiten

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Es wäre ein reizvolles Unterfangen, dem Agieren von Dilettanten im geschichtlichen Raum einen Essay zu widmen. Allein in den letzten Jahrzehnten ließen eich von Henry-Ford über Charles Lindberg eine bunte Reihe zusammenstellen, die nun der Ostasienforscher Sven Hedin tun ein Selbstporträt bereichert hat. Denn er war mehrmals während des zweiten Weltkrieges in Berlin und Deutschland, hat mit Göring, Hitler und Himmler gesprochen. Auch hier finden wir den seltsamen Glauben aller Dilettanten, daß es nur des guten Willens dieses oder jenes Staatsmannes bedürfte, um alles noch zum Guten zu wenden, daß man nur die Staat6leute zusammenbringen müßte, um den Umschwung herbeizuführen. Von der Stärke eines Apparats, von der Eigengesetzlichkeit der Entwicklung, von der Dämonie der Erscheinungen, die zum Untergang führen, haben 6ie kaum einen Hauch verspürt. Diese erstaunliche Naivität scheint jede Zeile des Buches Sven Hedins zu durchtränken. Er wandert durch die furchtbaren Kulissen des Untergangs, der entfesselten Regression und Dämonie mit der freundlichen Bereitschaft eines Backfisches auf dem ersten Ball. Wer ein wenig ob dieser Formulierung stutzt, dem seien Kostproben vorgesetzt.

Seite 48: „Ich erhielt den Eindruck, daß der gutmütige Göring friedliche Tage in seinem stattlichen Haus, welches er soeben ... einrichtete ... dem unsicheren Schicksal, das stets mit einem Krieg verbunden ist, vorgezogen hätte.“ — Was auch für einen pommerischen Landwirt vor der Einberufung Geltung haben könnte.

Oder Seite 113: „Trotz dieser Grausamkeiten, deren 6ich Goebbels schuldig gemacht hatte, war er persönlich sympathisch und offen. Als die Totenglocken über dem Dritten Reich läuteten, zog er sich still in das unbekannte Dunkel zurück.“ — Fehlt nur das „Ich hatt' einen Kameraden.“ Daß Goebbels die Kinder in6 „unbekannte Dunkel“ mitnahm, wird nicht erwähnt.

Für den Ausbruch des Krieges aber schien Sven Hedin Roosevelt verantwortlich zu halten. Jedenfalls druckt Hedin ohne Widerspruch einen Brief Hitlers ab, in dem dieser schreibt: „Ohne Zweifel ist der Schuldige an diesem Krieg, wie Sie sehr richtig zu Ende des Buches aussprechen, ausschließlich der amerikanische Präsident Roosevelt.“

Alle diese schwedischen Pikanterien aber sind von einer gewissen Wärme und Hilfsbereitschaft grundiert, die das unmutige Erstaunen bei der Lektüre immer wieder abschwächen, wenn auch nicht ganz zum Verklingen bringen. Man endet bei der Hoffnung, daß wenigstens die ostasiatischen Beobachtungen stimmen. Heinrich Maria W a a s e n

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