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Ein ausgebrannter Fall

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Es ist verständlich, daß Franz Schafranek der Verlockung nicht wiederstehen konnte, als sich ihm die Chance bot, in seinem „English Theatre“ eine Welturaufführung zu starten, die Welturaufführung von Te-nessee Williams jüngstem Stück „The Red Devil Battery Sign“. Das Stück ist zwar in Boston bereits durchgefallen („mißverstanden worden“, sagt der Autor), wurde aber nun für Wien total umgearbeitet. Ich kenne den Unterschied der beiden Fassungen nicht, wage aber dennoch zu behaupten, daß die Bostoner dieses Monstrum von „Stück“ (Dauer der Wiener Voraufführungen fast dreieinhalb Stunden) ganz richtig verstanden haben: als ohnmächtigen, gescheiterten Versuch eines einstmals bedeutenden Autors, an frühere Erfolge anzuschließen.

Eine abstruse Hintertreppenstory rollt ermüdend langatmig ab: eine abgetakelte „Dame“ der Gesellschaft („Woman Downtown“, sie bleibt namenlos) haust als Gefangene in einem Nobelhotel in Dallas, überwacht von den Schergen ihres früheren Gatten, Herrn des Weltkonzerns der „Roten Teufelsbatterien“. Sie hat ihm Dokumente entwendet, die seine verbrecherischen Machinationen aufdecken, sie ihrem Vormund, einem alten Richter, zugespielt, der sie in Washington vorlegen soll. Bevor er das kann, wird er ermordet. Inzwischen ist die Frau der Liebe ihres Lebens begegnet, dem einstigen Lea-der einer mexikanischen Musikertruppe, King del Rey, einem prachtvollen, aber todgeweihten Mannsbild (Gehirntumor). An ihn klammert sie sich nun, was ihn in familiäre Schwierigkeiten bringt. Die Ehefrau ist pikanterweise Putzfrau im Hotel, eine Konfrontation der beiden Damen kann nicht ausbleiben und bringt viel unfreiwillige Komik. Auch das Schicksal von Kings Tochter (einst Star seines Ensembles, nun in den Augen der Eltern in Chicago ein Lotterleben führend) spielt herein. Als Kings Zustand sich rapide verschlechtert, will er die Frau noch einmal sehen, kommt aber nur bis zum nächsten Drugstore. Die Frau, knapp vorher noch von einem Teufelsschergen vergewaltigt, findet ihn, King erschießt den Missetäter und erleidet einen tödlichen Blütsturz. Da tritt plötzlich eine Bande Jugendlicher auf, und die Frau schließt sich ihr spontan an, wird zur „Mutter des Aufstandes“, der eine „humanere Welt“ schaffen wird (wann, wo und wie, wird nicht gesagt), Vorerst muß aber das Böse ausgebrannt werden. „Burn, burn, burn!“ sind die letzten kreischenden Laute, die man hört, ehe der Vorhang fällt.

Das Publikum im Zuschauerraum: ratlos. Was als Kolportagegeschichte begonnen hat, mündet in ein wirres „Mysterium“, zu dessen „Deutung“ im Programmheft Karl Kraus und Goethe bemüht werden. Wahrlich zu viel der Ehr. Hier gibt es doch rein gar nichts zu deuten, einzig zu konstatieren, was eingangs bereits gesagt wurde: Tennessee Williams, dessen bedeutende Position in der Dramatik unseres Jahrhunderts unbestritten ist, ist heute ein ausgebrannter Fall. A burnt out case.

Darüber kann auch die ungemein ambitionierte Aufführung von Vienna's English Theatre nicht hinwegtäuschen, weder die Regie Franz Schafraneks noch die hervorragende Ausstattung (Tamare, Kodera, Vee-nenbos, Adlmüller), öder die schauspielerischen Leistungen, voran die von Keith Baxter (King), dessen heiseres Organ allerdings seinen Text auf weite Strecken unverständlich bleiben ließ, sowie die diesmal leider nicht gut eingesetzte Ruth Brinkmann.

Man darf trotz allem auf das Echo der tatsächlichen „Weltpremiere“ am 18. Jänner gespannt sein, wenn auch zu fürchten ist, daß sich die Roten Teufelsbatterien für Vienna's English Theatre als Rohrkrepierer erweisen werden.

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