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Friede ist mehr als ein Wort!

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Friede, so hieß es vor einiger Zeit in einer Randnotiz bei einer Rundfunkdiskussion, sei als Begriff noch nicht definiert worden. Obwohl es seit langem die Friedensbewegung gibt, sei nicht klar, ob alle dasselbe und was die einzelnen meinen, wenn vom Frieden die Rede ist.

Der Klang des Wortes Friede in unserer Muttersprache ist hell, freundlich und sanft, dem des Wortes Liebe ähnlich.

In Kluges etymologischem Wörterbuch läßt es sich über seine verschiedenen Vorfahren im Althochdeutschen, Gotischen, Altsächsischen und so weiter auf die germanische Wurzel fri „lieben” zurückführen, die auch den Wörtern frei, freien und Freund zugrunde liegt. Friede ist also ursprünglich ein Zustand der Freundschaft, der Gesinnung, die sich aus freundschaftlicher .Verbundenheit ergibt.

Das lateinische pax hingegen leitet sich wie sein naher Verwandter, der Pakt, von einem Verbum ab, das „Vertrag schließen” bedeutet. Denn auch das ist Friede: sich zu vertragen. Einen Vertrag kann man gemeinsam aushandeln, um ihn dann zu akzeptieren. Er ist eine Vernunftangelegenheit.

Freundschaft ist eine Sache des Gefühls. Wo das Gefühl nicht hinreicht, weil es nur seine eigenen Gesetze kennt und sich nicht erzwingen läßt, soll es wengistens an Vernunft nicht fehlen. Sich zu vertragen - wir haben es eine lange Kindheit hindurch immer wieder von Eltern und Lehrern gehört-ist nicht nur klug, sondern auch schön.

In unserem Geschichtsunterricht kam Friede immer nur in Verbindung mit einer Jahreszahl und einem Ortsnamen als Beendigung eines Krieges vor. In der Dichtung trat er als Zustand des goldenen Zeitalters auf, als die Waffen noch nicht erfunden waren. Die Religionsstunden erklärten uns den Frieden als Verheißung für das Jenseits und als moralische Aufgabe für das Diesseits.

Die Praxis des Lebens aber manifestierte sich in anderen Prinzipien: „Selig sind die Feindseligen. Fertig sind die Friedfertigen” (Alois Brandstetter). Schließlich schien Frieden nur noch in Verbindung mit Friedhof glaubhaft zu sein.

Friede ist ein Sehnsuchtswort wie Glück und Freude, nicht einschließbar in eine Definition, doch erleb-und erfahrbar in Tagen unseres Lebens oder auch nur in Augenblik-ken.

Wenn ein Krieg zu Ende ist, beginnt nicht gleich der Friede, sondern die Nachkriegszeit. Und vor Kriegsausbruch ist Vorkriegszeit. Und unser Jahrhundert erlebte auch eine Zwischenkriegszeit und einen Kalten Krieg. Der Krieg frißt sich in seinen verschiedenen Varianten in die Jahre, auch wenn die Waffen schweigen - geschmiedet werden sie ja immer.

Der Friede hingegen scheint unteilbar zu sein. Von ihm gibt es nur eine Art, so wie man nur auf eine Art gesund sein kann, krank aber auf viele Arten.

Friede ist ein Wunschwort, weil wir uns unserer schwachen Friedensfähigkeit bewußt sind. Homo homini lupus. Franz von Assisi versucht uns mit der Geschichte vom Wolf und Gubbio Hoffnung zu machen.

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