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Haus voll Glorie?

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.Jesus verkündete das Reich Gottes, und was kam, war die Kirche.“ Dieses oft zitierte Wort von Alfred Loi-sy gibt die Enttäuschung vieler wieder.

Warum kam die Kirche? Romano Guardini meint, die Kirche sei gekommen, weil das Volk Israel die Botschaft Jesu von der Ankunft des Reiches Gottes nicht angenommen habe. Aber solche Spekulationen sind wenig hilfreich. Wichtiger ist die Frage: Wie verhalten sich Kirche und Reich Gottes?

,JDie Kirche ist nicht das Reich Gottes — Reich Gottes und Kirche sind nicht identisch. Die Kirche Jesu Christi ... ist ein Zeichen, daß das Reich Gottes schon gegenwärtig und nahe ist. Es ist in der Kirche präsent in der Form des Anbruchs, der Vorläufigkeit, der Verborgenheit und zum Teil auch der Gebrochenheit“ (Heinrich Fries).

Das Reich Gottes ist auch viel umfassender als Kirche und kann nicht auf die Grenzen der Kirche eingeschränkt werden. „Gottes Herrschaft und Reich ist in der Welt (wirksam) überall da, wo faktisch geschieht, was seine Verheißungen und Forderungen enthalten“ (Heinrich Fries). Gottes Reich wird erkennbar überall, wo Gottes Geist wirksam ist, wo sich Menschen für Gerechtigkeit, Versöhnung, Friede oder Freiheit einsetzen.

Das Reich Gottes ist das Ziel, auf das letztlich Kirche und Welt hoffend zugehen.

Die Kirche steht im Dienste des Reiches Gottes. Sie soll mitwirken, daß das Reich Gottes hier und heute unter den Menschen anbricht, und daß die Christen selbst und alle Menschen auf dem Weg zum Ziel bleiben.

,JJas Reich Gottes in der Form von Anbruch und Gegenwart, aber auch als Ziel und Zukunft ist das immerwährende Gegenüber der Kirche, die motivierende, mobilisierende Orientierung, aber auch die kritische Instanz ihres Tuns und Verhaltens“ (Heinrich Fries).

Daraus ergibt sich, daß die Kirche nicht das Endgültige, das Haus voll Glorie ist, sondern etwas Vorläufiges, daß sie nicht Selbstzweck ist und bloß auf ihre Eigeninteressen bedacht sein darf, sondern „die Existenz der Kirche eine Proexistenz sein muß — Dasein für andere —, Transparenz Jesu Christi, dessen Leben ein Dasein für andere war“ (Heinrich Fries).

Aus der Tatsache, daß Kirche und Reich Gottes nicht identisch sind, ergibt sich auch, daß die Kirche eine ec-clesia semper reformanda ist; ständig der Erneuerung bedürftig, aber durch die bewegende Kraft des Geistes Gottes auch der Erneuerung fähig.

25. Teil einer am Buch „Fundamentaltheologie“ von Heinrich Fries (Styria 1985) orientierten Serie.

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