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TOLERANZ UND CHRISTLICHER GLAUBE

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Die katholische Kirche behauptet die Zugehörigkeit zu ihr, der wahren Kirche Christi, als heilsnotwendig. Schon die alte Zeit hat dalür die Formel geprägt: „Salus extra Eccle-siam non est*, und das kirchliche Lehramt hat sie in feierlicher Weise mehr als einmal gebraucht. Das ist nur eine andere Formulierung dafür, dafj die katholische Kirche sich als die eine Kirche Christi versteht; es gibt keine andere Gemeinschaft, die als solche von Christus beauftragt und befähigt wäre, das Heil zu vermitteln, das den Menschen nur durch Christus, und es gibt keinen anderen Weg zu Gott als durch Christurs, und es gibt keine andere Verbindung mit Christus als durch Seine Kirche. Das ist der Glaube der Kirche von Anfang an, und es ist selbstverständlich, dah sich durch keine Trennung von der Kirche an diesem Glauben etwas ändern konnte.

Das ist einfacher Ausdruck des in der Kirche immer lebendigen Glaubensbewufjt-seins, und als solcher nicht „intolerant“. Wenn man in diesem Glaubensbewuhtsein deswegen eine Intoleranz findet, weil mit der Behauptung der Heilsnotwendigkeit der Kirche alle Nichtkatholiken vom ewigen Heile ausgeschlossen seien, so ist das ein M i fj v e r-s t ä n d n i s. Die wesentliche Klärung ist schon in dem enthalten, was über die Heilsmöglichkeit der Menschen, die außerhalb des Christentums leben, gilt. Wenn diese, so sie guten Willens sind, durch Gottes Führung und Gnade das Heil erlangen können, dann ist bei denen, die im Lichte des Evangeliums stehen und an Christus glauben, diese Möglichkeit in noch größerem Mafje gegeben; wer getauft ist, steht im Bereich des sakramentalen Gnadenwirkens Christi und, wenn auch im Glauben von der Kirche getrennt, doch in einer unaufhebbaren Beziehung zu ihr. Außerhalb der Kirche in dem Sinne, wie der Safz „Extra Ecclesiam nulla Salus“ es meint, sind diejenigen, denen die Bereitschaft für Gottes Heilsweg durch ihre eigene Schuld fehlt; vor allem die durch ihren Widerstand gegen die hinlänglich erkannte Wahrheit schuldhaft und b e w u fj t von der Kirche Getrennten. Die Menschen, die sich der Gnade Gottes öffnen und mit Seinem heiligen Willen einmütig sind, haben in ihrem guten Willen die Bereitschaft, alles zu tun, was Gotf von ihnen auf dem Wege zum Heile fordert. Wenn sie die Kirche Christi erkannt haben, bringt diese Bereitschaft sie dazu, sich ihr auch in ihrer sozialen Sichtbarkeit anzuschließen; wollten sie sich weigern, würden sie ihren guten Willen aufgeben und sich bewufst in Gegensatz zu Gottes ausdrücklicher Forderung stellen. Wer die ernstliche Bereitschaff zur Erfüllung des göttlichen Willens hat, ohne die Kirche als solche zu erkennen, mag er die katholische Kirche im übrigen sehr gut „kennen“ oder noch nie von ihr gehört haben, besitzt in seinem ehrlichen Enlschluh, den Forderungen Gottes nachzukommen, auch einschluhweise den Willen, zur Kirche Christi zu gehören; er ist zwar nicht in Wirklichkeit (re) Glied der Kirche, aber dem Willen, dem Verlangen nach (volo, desiderio) hängt er ihr an.

Hier gilt etwas Aehnliches wie bei der Taufe. Sie isf nach dem Evangelium notwendiges Mittel des Heils; nur wer glaubt und sich taufen läfjt, wird gerettet werden. Wenn aber ein Kafechumene stirbt, bevor er gelauft ist, ersetzt sein Wille zur Taufe, verbunden mit Glaube und Liebe zu Gott, die wirkliche Taufe (vofum Baptismi, Begierdetaufe); und bei dem, der vom Taufgebot nichts weih, ist in seiner Liebe zu Gotf und der Bereitschaft zur Erfüllung des göttlichen Willens einschluhweise der Wille zur Taufe enthalten und genügt zu seiner Rechtfertigung. So bringt das ausdrückliche oder das eingeschlossene (implizite) Verlangen, zur Kirche Christi zu gehören, den Menschen in die heilsnotwendige Beziehung zu ihr und ersetzt die wirkliche Gliedschaff, wenn sie ihm unmöglich ist; das gilt auch in dem Falle, in dem jemand die Zugehörigkeif zur katholischen Kirche bewufjt ablehnt, weil er sie nicht als die Kirche Christi erkennt. Darum gehören dem Willen und Verlangen nach überall in der Welt Menschen, die nur Gott kennt, zu Seiner Kirche, obwohl sie von ihrer sichtbaren Gemeinschaft getrennt sind, und in diesem Verlangen werden sie kraft der Gnade Christi zum Heile geführt.

In dem Satze; „Extra Ecclesiam nulla salus“ lieg) also keine Intoleranz, die auch nur einem Menschen das Heil absprechen wollte deswegen, weil er durch zufällige Umstände nicht katholisch ist. Es isf auch nicht so, dafs man hier noch fragen mühte, ob ein so weifherziges Verständnis des Glaubenssatzes wohl die Zustimmung des kirchlichen Lehramtes finde. Gegen einen Versuch, der vor einiger Zeit gemacht worden ist, den Satz rigoristisch eng zu erklären, hat die Kirche die soeben gegebene Deutung, die der allgemeinen Auffassung der katholischen Theologie entspricht und die Pius IX. ausdrücklich vorgelegt hat, amtlich als die ihrem Glaubensbewuhtsein entsprechende bestätigt.

Aus „Toleranz und christlicher Glaube“, Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main.

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