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Die Sprache des Konzils

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Die FURCHE dokumentiert wesentliche Passagen aus einem Vortrag des Apostoli- schen Nuntius in Österreich über das richtige Verständ- nis des Zweiten Vatikani- schen Konzils.

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Die FURCHE dokumentiert wesentliche Passagen aus einem Vortrag des Apostoli- schen Nuntius in Österreich über das richtige Verständ- nis des Zweiten Vatikani- schen Konzils.

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Die Kirche, die ganze Kirche, erscheint uns als „das von der Ein- heit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk", wie es die Dogmatische Konstitution Lumen Gentium (LG, 4) zum Ausdruck bringt... Die Kir- che - und das sind wir alle - ist für den Menschen da.

Die Kirche soll dem Menschen helfen, das Geheimnis Gottes zu entdecken (Gaudium et spes = GS, 4), das Geheimnis der Liebe Gottes zum Menschen erscheinen zu las- sen (GS, 45).

In ihrer geheimnisvollen Realität ist die Kirche „die eine, heilige, katholische und apostolische Kir- che", die wir im Glaubensbekennt- nis bekennen (LG, 8). Alle Men- schen, alle Völker sind gerufen, das Volk Gottes zu bilden, Mitglieder der Kirche zu werden, die Einheit der Menschheitsfamilie wieder herzustellen:

„Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen gerufen. Darum muß dieses Volk eines und ein einziges bleiben und sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten. So soll sich das Ziel des Willens Gottes erfüllen, der das Menschengeschlecht am Anfang als eines gegründet und beschlossen hat, seine Kinder aus der Zerstreu- ung wieder zur Einheit zu versam- meln (vergleiche Joh 11,52)..." (LG, 13).

Wir alle begegnen im öffentlichen Leben - auch der Kirche - moder- nen irrenden Meinungen, welche diese Einheit der Kirche in Frage stellen, indem sie einer „Dezentra- lisation" der Autoritäten das Wort reden und das Bischofsamt in einer Art und Weise relativieren, die der apostolischen und hierarchischen Stiftung der Kirche widerspricht.

Das vielfach mißbrauchte Zweite Vatikanische Konzil kennt hiereine andere Sprache, als sie gelegentlich und immer wieder in gewissen Medien gesprochen wird.

Damit die Kirche ihre Aufgabe in der Welt zu jeder Zeit erfüllen kann, hat ihr Stifter, Unser Herr Jesus Christus, sie verfaßt und geordnet als Gesellschaft mit geeigneten Mitteln sichtbarer und gesellschaft- licher Einheit (GS, 40). Daher ist die Verfassung der Kirche hierar- chisch:

„Um Gottes Volk zu weiden und immerfort zu mehren, hat Christus der Herr in seiner Kirche verschie- dene Dienstämter eingesetzt, die auf das Wohl des ganzen Leibes ausge- richtet sind. Denn die Amtsträger, die mit heiliger Vollmacht ausge- stattet sind, stehen im Dienste ihrer Brüder, damit alle, die zum Volke Gottes gehören und sich daher der wahren Würde eines Christen er- freuen, in freier und geordneter

Weise sich auf das nämliche Ziel hin ausstrecken und so zum Heile gelangen.

Diese Heilige Synode setzt den Weg des ersten Vatikanischen Konzils fort und lehrt und erklärt feierlich mit ihm, daß der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kir- che gebaut hat, indem er die Apo- stel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater (vergleiche Joh 20,21). Er wollte, daß deren Nach- folger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtba- res Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemein- schaft eingesetzt.

Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über des- sen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor. Das damals Begonnene fortführend, hat sie sich entschlossen, nun die Lehre von den Bischöfen, den Nachfol- gern der Apostel, die mit dem Nach- folger Petri, dem Stellvertreter Christi und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten, vor allen zu bekennen und zu erklären" (LG, 18).

Eine große Gefahr in der Bewußt- seinsveränderung der europäischen Zivilisation und im kulturellen Selbstverständnis dieses Konti- nents ist die Zentralisierung des Menschen im Mittelpunkt der Schöpfung, ohne seine Verbindung zu Gott, dem Schöpfer und Vater jedes Menschen, vor Augen zu ha- ben. Aus diesem „absoluten" An- thropozentrismus erwachsen die sittlichen Fehlhaltungen vom au- tonomen Menschen, von der Relati- vierung der Wahrheiten gemäß der jeweiligen Selbstfindung des Indi- viduums und schließlich dem Vor- rang des einzelnen Menschen und seiner willkürlichen „Gewissens- entscheidung" vor dem ewigen Gesetz Gottes, das in die Natur von Mensch und Gesellschaft vom Schöpfer eingestiftet wurde.

Das Zweite Vatikanum setzt die- sen Irrtümern die Wahrheit entge- gen:

Die Kirche entfaltet ihre Tätig- keit für das Heil der Welt (LG, 17), für die Verkündigung der frohen Botschaft allen Geschöpfen (Mk 16,15), um das Geheimnis Gottes, des letzten Zieles der Menschen, offenkundig zu machen:

„Der heutige Mensch ist unter- wegs zur volleren Entwicklung sei- ner Persönlichkeit und zu einer immer tieferen Einsicht und Durch- setzung seiner Rechte. Da es aber der Kirche anvertraut ist, das Ge- heimnis Gottes, des letzten Zieles der Menschen, offenkundig zu machen, erschließt sie dem Men- schen gleichzeitig das Verständnis seiner eigenen Existenz, das heißt die letzte Wahrheit über den Men- schen... (GS, 41).

Aus der Festrede zum Festkommers des MKV (Mittelschüler-Kartell-Verband) zum 80. Ge- burtstag von Kardinal Opilio Rossi und 70. Ge- burtstag von Bischof Alfred Kostelecky am 14. Mai 1990 in Wien.

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