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Non olet oder schon olet

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So mancher mag sich in letzter Zeit gefragt haben, was mit seinem Geld auf der Bank schon so alles passiert ist. An welchen schmutzigen Geschäften seine Wertpapiere beteiligt waren, ohne daß er davon wußte. Äußert man heute besorgt, wie wenig „flächendeckend" doch das Christentum in seinem Wirken ist, kann einem geschehen, daß man das Stichwort „Ambrosianische Bank" an den Kopf geworfen bekommt.

Die alte Frage nach der Mitschuld; wer kann schon von sich sagen, daß er nicht - wenn auch über etliche Ecken - mit Unrecht oder Ausbeutung zu tun hätte. In Zeiten des blühenden Waffenhandels, der Geldwäscherei, des Drogenhandels, der tausend Geschäfte mit menschlichen Abhängigkeiten, im unübersehbaren Dschungel der finanziellen Verknüpfungen: wer weiß schon, woher das Geld kommt, das er am Monatsende in die Tasche steckt. Die Bedürftigkeiten sind verschieden groß, die Gewissen sind verschieden feinfühlig, die Notwendigkeiten des Lebens verleiten zum Verdrängen.

Als Kaiser Vespasian für den für medikamentöse Zwecke verwendeten Urin seiner Untertanen Steuern einheben wollte, gefiel das seinem Sohn, dem späteren Kaiser Titus, nicht. Als das erste Geld durch diese Steuer hereinkam, hielt

der Vater dem Sohn eine Münze unter die Nase und fragte, ob er was röche. Titus sagte darauf den berühmten Satz: Non olet - es stinkt nicht.

Ein bedeutsamer Satz, eine Lektion, die man wohl lernen mußte, wenn man einst in eine solche Position aufrücken wollte. Ob Titus auch später noch so feinfühlig gewesen ist und seine Nase etwa an den Schatz des von ihm zerstörten Tempels in Jerusalem gehalten hat, um festzustellen, ob er nach Blut roch, konnte nicht festgestellt werden. Vermutlich hat er im Laufe der Jahre gelernt zu verdrängen, was ihm in seiner Jugend als olfaktorischer Mangel erschienen war.

Auch heute lernen die meisten das ziemlich schnell. Man merkt dem Geld ja nicht an, womit es verdient wurde. Das ist die fatale Sache an diesen mehr oder weniger sauberen Scheinen.

Und die Moral von der Geschieht'?

Es sollte einem gelingen, den besagten Scheinen jenen Platz zuzuweisen, der ihnen gebührt. Eine Notwendigkeit, eine Notdurft - um beim Ursprung unserer Geschichte zu bleiben. Das Vorhandensein des Geldes sollte keine Gewohnheit werden, von der man nicht mehr lassen kann, auch wenn man sich irgendwann einmal die Nase zuhalten müßte - ja, vorausgesetzt, man ist sensibel geblieben! Non olet oder schon olet, das ist hier die Frage.

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