6835368-1975_11_13.jpg
Digital In Arbeit

Stars, Stars, Stars...

Werbung
Werbung
Werbung

Die Welle der „Katastrophenfilme“ hat nun auch Österreichs Kinos erreicht und wird sie bald überfluten; Tragödien größten Ausmaßes, kleine Weltuntergänge sind auf der Leinwand wieder gefragt... „Wieder“: denn so neu ist diese Sucht nach dem Miterleben von Zerstörung, und Massentod nicht: schon in den dreißiger Jahren erreichte Hollywood Rekordzahlen mit Filmen von Erdbeben, Sturmfluten und Schiffsuntergängen — damals, in der Zeit der Depression. Natürlich könnte man auch andere Gründe für diese makabre Lust finden, etwa den, daß das vom Fernsehen fleißig während des Abendessens ausgestrahlte Nachrichtenprogramm mit den Berichten von Kriegsschauplätzen, Hungersnöten und Epidemien nicht mehr zur Erfüllung der Sensationsgier ausreicht, schon zu sehr abgestumpft hat, so daß man daher deutlieh und stundenlang ausgespielte Katastrophen im Superformat der Riesenkinoleinwand, womöglich mit stereophonischem Ton und mit noch raffinierteren technischen Effekten („ Sensurround“, Vibrationseffekte bei „Erdbeben“ zum Beispiel) erleben muß, um befriedigt zu werden. Wird man das aber wirklich? Langweilen fast drei Stunden Miterleben eines brennenden, 138 Stockwerk hohen Wolkenkratzers in „Flammendes Inferno“ nicht mehr als sie „Kurzweil“ schaffen? Da hilft der spektakulärste Unglücksfall wenig, auch nichts der monströse Aufwand, kaum etwas das gewaltige Staraufgebot (Steve McQueen, Paul New-man, William Holden, Faye Duna-way, Fred Astaire, Jennifer Jones, Robert Wagner, Richard Chamber-lain, Robert Vaughn u. a. m), das nach „Menschen-im-Hotel“-Manier das Grand Guignol mit erheitern-

eten, erhebenden, erschütternden und verabscheuungswürdigen Charakteren füllen muß — einzig einige wenige Supertricks des Produzenten-Regisseurs Irvin Allen (in den USA bereits „Master of desaster“ genannt) reißen aus der Gleichförmigkeit der Höllengreuel heraus, an die man sich auf die Dauer auch zu gewöhnen beginnt... Eine Enttäuschung, selbst die Hölle! Daß man ein Super-Staraufgebot (Albert Finney, Lauren Bacall, Martin Balsam, Ingrid Bergman, Sean Connery, John Gielgud, Wendy Hiller, Anthony Perkins, Vanessa Redgrave, Richard Widmark und Michael York) wesentlich sinnvoller und sympathischer aus Anlaß „nur“ eines Mordes anstatt gleich eines Weltunterganges einzusetzen imstande ist, beweist Sidney Lumets hinreißend nostalgische Verfilmung von Agatha Christies 40 Jahre altem Beststeller „Mord im Orient-Expreß“. Wie hier um einen legendären Zug eine ziemlich abstrakt-übertriebene Mordgeschichte konstruiert ist, die mehr amüsant-geistreich als naturalistisch-erschreckend wirkt, und wie das filmisch in Kammer-spielmono- und -dialoge mit dazwi-schengeschnittenen fantastischen Expreßzug-Sequenzen (die an Sternbergs „Shanghai-Expreß“ erinnern!) aufgelöst ist, ist ansehenswert!

Dagegen fällt der zweite Agatha-Christie-Film dieser Woche, „Mord nach Maß“, ein an „Psycho“' geschulter modisch-glatter Thriller mit Märchen-Elementen bei weitem ab; nun ja, er ist ja auch nicht bereits 40 Jahre gelagert und der damaligen Zeit nachempfunden — was nicht nur modisch effektvoll, sondern auch ein Siegel für Qualität darstellt — heute bereits wieder.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung