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Was ist gewaltfrei zu verteidigen ?

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Wäre eine gewaltfreie Verteidigung eine sinnvolle Alternative für Österreich? Da gilt es zuallererst Antworten darüber zu geben, was eigentlich verteidigt werden soll.

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Wäre eine gewaltfreie Verteidigung eine sinnvolle Alternative für Österreich? Da gilt es zuallererst Antworten darüber zu geben, was eigentlich verteidigt werden soll.

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Im Zusammenhang mit dem Anwachsen der Friedensbewegung wurde ein Konzept wiederentdeckt, das schon vor mehr als einem Jahrzehnt für sicherheitspolitische Diskussionen Stoff lieferte und unter Bezeichnungen wie „Gewaltfreie Verteidigung”, „Soziale Verteidigung”, „ziviler Widerstand” behandelt wurde.

Im Jahre 1964 stellte der norwegische Friedensforscher Johan Gältung fest, daß sich verteidigungspolitische Diskussionen vielfach auf die Frage konzentrierten, wie verteidigt werden sollte. daß sie jedoch kaum Antwort auf die Frage gäben, was verteidigt werden sollte. Ziel jeder Verteidigungspolitik müßte es sein, vor allem die Lebensordnung des eigenen Volkes zu bewahren.

Die traditionelle, mit militärischen Mitteln geführte Sicherheitspolitik sei aber vor allem dar,an interessiert, Territorium zu erhalten, wofür sie militärische Mittel benötige. Würde sich jedoch die Verteidigung darauf beschränken, den Schutz der Sozialordnung - auch unter Verzicht auf die territoriale Kontrolle des Landes — sicherzustellen, würden militärische Mittel überflüssig: eine solche Zielsetzung der Verteidigung sei auch mit Mitteln zivilen Widerstandes erreichbar.

Diesen Gedankengängen sekundierten andere Friedensforscher, wie der Brite Adam Roberts oder der Deutsche Theodor Ebert, der ausdrücklich festhielt, daß in einem transnationalen gesellschaftspolitischen Konflikt die Kontrolle über das Territorium des angegriffenen Staates solange wertlos sei, als dem Angreifer der Zugriff zu den sozialen Institutionen verwehrt bleibe.

Aus dieser Zielsetzung, das So-zialgefüge des angegriffenen Staates unter gleichzeitigem Verzicht auf den Schutz des Territoriums verteidigen zu wollen, resultiert der Name „Soziale Verteidigung”. Ihr Gegenteil ist damit nicht die „militärische Verteidigung”, sondern die Verteidigung des Territoriums, die „Landes”-Verteidigung.

Mittel der Sozialen Verteidigung wäre der ausschließlich gewaltlose, zivüe Widerstand. Damit soll ausgedrückt werden, daß Soziale Verteidigung ohne den Rückgriff auf militärische Gewalt auskommen müßte.

Allerdings führte schon Galtung in der Anfangszeit aus, daß ziviler Widerstand allein nicht ausreiche, wenn nicht nur die Sozialordnung, sondern auch das Territorium verteidigt werden sollte: Schutz des Territoriums ist ohne militärischen Widerstand nicht denkbar.

Die einzelnen Maßnahmen des zivilen Widerstandes stellen sich vielschichtiger dar, als es aus den oft verflachten Darstellungen des Konzepts in der österreichischen Diskussion zu entnehmen wäre:

Grob gesprochen wird zwischen rein defensiven Maßnahmen, die den physischen Schutz der angegriffenen Bevölkerung sicherstellen sollen (wie wirtschaftliche Versorgungsmaßnahmen, Sicherstellung der Verbindung der politischen Führung mit der Bevölkerung, aber auch Bau von Schutzräumen gegen Terrorangriffe), und offensiven Maßnahmen, wie psychologische Beeinflussung der angreifenden Truppen, „Bekehrung” ihrer Angehörigen, ziviler Ungehorsam gegen Weisungen der Besatzungsmacht, und Sabotage am eigenen Besitz, um wirtschaftliche Ausbeutung durch die Besatzungsmacht sinnlos zu machen, unterschieden.

Kann dieses Konzept eine sinnvolle Alternative zur derzeitigen österreichischen Sicherheitspolitik bilden? Aus dem Selbstverständnis des Konzepts heraus muß die Antwort negativ ausfallen: Für die österreichische Sicherheitspolitik ist der Anlaßfall der unwahrscheinlichste, daß ein Angriff auf Osterreich erfolgt, bei dem der Angreifer ausschließlich an der Kontrolle der österreichischen Sozialordnung interessiert wäre, wo ihm die Kontrolle des Territoriums überlassen werden könnte, ohne sich etwas zu vergeben.

Ganz im Gegenteil: Der wahrscheinlichste Fall für einen Angriff auf Osterreich wäre dort zu sehen, wo im Zuge eines größeren Konflikts die eine oder andere Konfliktpartei versuchen würde, österreichisches Territorium für ihre militärischen Zwecke auszunützen. Würde sich Österreich darauf beschränken, bloß seine Sozialordnung zu bewahren, ginge das Konzept am Ziel des Angreifers vorbei, dem etwas verwehrt würde, was er zunächst gar nicht gefordert hat.

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