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Weltgeschichte(n)

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„Bitte, Herr Lehrer“, sagt ein Schüler, „mein Papa will sich ein neues Auto kaufen, und jetzt ist dieses Auto teurer geworden, und unsere ganze Einteilung ist beim Teufel. Dabei verdient mein Papa nicht mehr. Warum ist das Auto teurer geworden?“

Da es sich um eine Unterrichtsstunde im Fach Wirtschaftskunde handelte, konnte der hehrer nicht umhin, die schwierige Frage zw beantworten. „Wahrscheinlich“, sagte er, „verdienen die Arbeiter, die das Auto herstellen, eben mehr.“

„Mein Papa“, sagte der Schüler, „mein Papa hat aber gesagt, daß die Autoarbeiter in dem Land, wo das Auto gemacht wird, fünf Prozent Lohnerhöhung bekommen haben, und das Auto ist um acht Prozent teurer geworden, das verstehe ich nicht, dabei haben wir letzte Woche eine ganze Stunde mit Prozenten gerechnet.“

Der Lehrer atmete tief ein und sagte: „Dann handelt es sich hier eben um einen komplizierteren Fall, aber ich will es euch ganz genau erklären. Jetzt ist Frühling, und viele Papas kaufen sich neue Autos. Was das bedeutet, haben wir in der letzten Stunde gelernt. Also, liebe Kinder?“

Die ganze Klasse rief im Chor: „Erhöhte Nachfrage!“

„Seht Ihr“, sagte der Lehrer, „da Itabt ihr das praktische Beispiel auf die graue Theorie vom Gesetz von Angebot und Nachfrage. Wenn die Nachfrage steigt, steigen die Preise, das ist ganz natürlich.“

„Ich hätte noch eine Frage“, sagte der Bub, dessen Papa sich ein neues Auto kaufen wollte.

„Frage nur“, sagte der Lehrer.

„Vorletzte Stunde“, sagte der Bub, „liaben wir den Zusammenhang von Umsatz und Kosten gehabt. Und da haben Sie uns erklärt, je mehr von einer Ware hergestellt wird, um so billiger kann sie hergestellt werden.“

„Ja, das stimmt“, sagte der Lehrer, „worauf willst du hinaus?“

„Aber wenn die Nachfrage steigt“, sagte da der kleine Max, „dann werden mehr Autos gebaut, und wenn mehr Autos gebaut werden, kann man sie billiger herstellen, warum werden sie dann nicht billiger statt teurer?“

„Das ist an sich richtig“, sagte der Lehrer, „aber...“ und versank in tiefes Nachdenken.

„Eigentlich“, sagte bohrend der kleine Max, „hätten die Autos ja billiger werden müssen, wie weniger Autos gekauft worden sind, weil ja sinkende Nachfrage sinkende Preise bedeutet, aber vyeil geringerer Umsatz die Produktion verteuert, sind sie halt teurer geworden, habe ich das richtig verstanden?“

„Du bist ein aufgeweckter Knirps“, sagte strahlend der Lehrer, „du hast das völlig richtig verstanden!“

„Und jetzt“, sagte der kleine Max eifrig, „werden mehr Autos gebaut, und das bedeutet deshalb steigende Preise, weil die Nachfrage steigt?“

„Das ist an sich richtig“, sagte, langsam unsicher werdend, der Lehrer, „vielleicht könnten wir dieses Problem gemeinsam lösen. Denken wir also einmal nach...“

„Ganz einfach“, sagte der kleine Max, „mehr Autos bedeutet höhere Preise wegen der steigenden Nachfrage, weniger Autos bedeutet höhere Preise wegen der höheren Kosten!“

„Das ist ja fast ein neues wirt-

schaftliches Gesetz...“ stammelte der Lehrer.

„I wo, das kenn' ich schon“, rief darauf ein anderer Bube, „das ist doch so wie bei der Steuer. Wenn die Leute mehr verdienen, zahlen sie automatisch mehr Steuer, wenn sie weniger verdienen, zahlen sie auch

mehr, weil man ja die Wirtschaft wieder in Schwung bringen muß.“

„Interessant“, sagte der Lehrer, „wie heißt du denn?“

„Androsch“, sagte der Knabe, „mein Papa sagt immer, von der Privatwirtschaft kann man noch icas lernen ...“

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