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Denen nicht „fad ist“

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Die erste Einrichtung, die in Österreich der Volksbildung diente, wurde von Erzherzog Johann geschaffen, das „Steirische Nationalmuseum Joanneum“. Im Ursprung, wie das Joanneum, auf die Vermittlung volkskundlichen Wissens und die Pflege des Brauchtums konzentriert, ist aus den Geschichts- und Brauchtumsvereinen heute die hohe Schule der Erwachsenenbildung geworden. Dabei wird „Bildung“ nicht allein als Wissensdarbietung verstanden, sondern als erzieherische Bedachtnahme auf die Gesamtperson des zu Bildenden

Nach der Art der Einrichtungen, die der Volksbildung dienen, gibt es weltanschaulich oder parteipolitisch gebundene Institutionen, Einrichtungen der Berufsausbildung, deren Besuch zuweilen indirekt zur Pflicht gemacht sein kann, und sogenannte „freie“, das heißt parteipolitisch und weltanschaulich formal nicht gebundene Einrichtungen, kurz „Volkshochschulen“ genannt; sie sind die typischen Formen der Erwachsenenbildung.

Nach ihrem Standort unterscheiden wir standortgebundene und, vor allem im bäuerlichen Sektor der Volksbildung, die mobilen Einrichtungen.

Eine Unterscheidung gibt es auch nach der Intensität der Einflußnahme. Es gibt offene Kurse und Heim- oder Internatskurse, wie die bäuerlichen Volksbildungsheime.

Was die Gegenstände, das Bildungsgut, anlangt, so geht es den Einrichtungen der Volksbildung einerseits um die Darbietung von Wissens- und Unterhaltungsgut und anderseits um Persönlichkeitsbildung. Im einzelnen bemühen sich die Einrichtungen der Volksbildung um die berufliche Weiterbildung (nicht Ausbildung); um die Erweiterung des geistigen Horizonts der Hörer, um die Volkstumspflege, um die Vermittlung von Fertigkeiten, Fremdsprachenkurse und schließlich um die Darbietung von Unterhaltung.

Was die Dozenten betrifft, ist die innige Verflechtung der Hochschulen mit den Volkshochschulen weithin aufgegeben worden. Da die Dozenten im Bereich der Volksbildung1 Honorare erhalten, die je Stunde erheblich unter dem iMg&ü.' ;ws beispielsweise -fürWrie Installateur stunde gezahlt werden muß, sind die Leitungen der Volkshochschulen oft gezwungen, auf „billige“ Lehrkräfte zurückzugreifen, was den Einrichtungen nicht immer nützlich ist und zur Diskriminierung der Volkshochschulen beigetragen hat.

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Die Stellung der Volksbildung ist weder gesetzlich noch finanziell gesichert. So fehlt es an einem Volksbildungsgesetz. Wohl gibt es eine Betreuung der volksbildnerischen Belange in den einzelnen Bundesländern durch einen dem Unterrichtsministerium unterstellten „Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten“ (ausgenommen in Vorarlberg), aber auch diesem Referenten fehlt für seine Tätigkeit die volle gesetzliche Deckung, die es ihm erst möglich machen würde, seinen Maßnahmen ein anderes Gewicht zu geben.

So wie das Schulwesen ist auch die Volksbildung Sache des Bundes. Das hat der Verfassungsgerichtshof entschieden. Nun steht zwar im Artikel 14 der Bundesverfassung, daß die Volksbildung gesetzlich zu regeln ist, man hat es aber bisher nicht vermocht, eine solche gesetzliche Regelung zu schaffen.

Ebenso ungeklärt ist die Frage der geordneten Finanzierung. Die Dozenten sind schlecht honoriert, die Institute haben zuwenig hauptberufliche Kräfte und müssen zudem Umsatz- und sogar Vergnügungssteuer (i) zahlen. Lehrmittel und Unterrichtsräume sind nur in einem unzureichenden Umfang vorhanden.

Neben der finanziellen Dotation geht es auch um die Freiheit des Unterrichtes. Im Ständestaat erfuhren die Einrichtungen der Volksbildung eine außerordentliche Förderung, aber um den Preis der Aufgabe ihrer Selbständigkeit. Nun muß aber, was für die hohen Schulen gilt, auch für die Volksbildungseinrichtungen gelten: Lehr-und Lernfreiheit. Diesem Prinzip widerspricht aber ein Versuch der Kärntner Landesregierung, die im Jahre 1957 einen Gesetzentwurf einbrachte, nach dem die Volksbildung weithin obrigkeitlich gelenkt werden soll. Für Übertretungen des Gesetzes sah der Entwurf sogar Geld- und Arreststrafen vor.

Eine bundesgesetzliche Regelung des Gesamtbereiches der Volksbildung ist unvermeidbar geworden. Dabei geht es nicht allein um eine geordnete und pädagogisch gesicherte Deckung eines Nachholbedarfes an Bildung, es geht auch um die Betreuung der älteren Menschen, es geht darum, die Menschen zu lehren, was sie tun sollen, wenn sie „nichts tun“. Zu allem kommt, noch, daß die Volksbildung heute dazu berufen ist, jene staatsbürgerlichen Kenntnisse zu vermitteln, die zum Selbstverständnis des Bürgers als Staatsbürger nun einmal notwendig sind, die darzubieten sich aber die Schulen bisher vielfach nachdrücklich weigern.

Je mehr die Menschen die Chance haben, in Wohlfahrt, wenn nicht in Komfort zu leben, um so intensiver müssen die Bemühungen sein, die neuen Konsumchancen durch ein neuartiges Bildungsprogramm aufzufangen. Vorläufig müssen wir feststellen, daß das österreichische Wirtschaftswunder so etwas wie einen pädagogischen Notstand entstehen ließ, ein Unvermögen der Massen vor allem der Jungen, der Schulentwachsenen, die neue Güterfülle sinnvoll zu bewältigen.

Um ihre sozialpädagogische Aufgabe erfüllen zu können, bedürfen die Einrichtungen der Volksbildung der nachhaltigen Unterstützung des Gesetzgebers wie der Öffentlichkeit. Auf diesen Umstand haben die Gutachter der SWA in dankenswerter Weise hingewiesen, gerade in einer Zeit, in der Regierung und Gesetzgeber von ökonomischen Aufgaben geradezu fasziniert sind und nicht erkennen, daß es nicht allein'um die Einkommens ge w i nn ün g, sondern auch um die Einkommens ver we n dung geht, nicht allein um die Freizeiterweiterung, sondern ebenso um die Freizeiterfüllung..

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