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„Sissy“ und „Mecky“

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Die Wiener Frühjahrsmesse wurde heuer bei freundlichem Wetter eröffnet. Wie zumeist gab es auch diesmal eine ganze Reihe von Neuheiten auch auf dem Zweirad- und Zubehörsektor zu sehen. Ueber sie kann jedoch erst dann ein umfassender Ueberblick geschaffen werden, bis auch die unbegreiflicherweise oft wenig auffällig ausgestellten kleinen Neuerungen, Verbesserungen und so weiter erfaßt sind. Gerade sie sind es oftmals, die einen Messebesuch für jene lohnen, die nicht gerade Maschinen, Traktoren und ähnliches zu erwerben beabsichtigen. Man muß wiegenden Teil von nicht gerade besonders finanzkräftigen Besuchern besucht wird, die jedoch gerade ausgesprochen willige Käufer oder zumindest Interessenten für kleine Verbesserungen und Zubehörteile sind. Da sie die Masse darstellen, sollten die Firmen immerhin daran interessiert sein, auch kleinere Neuigkeiten publikumswirksam herauszustreichen. Erfahrungsgemäß ist dies jedoch nicht immer der Fall. So können wir fürs erste nur dem Messebesucher Ratschläge aus der Erfahrung vermitteln, wie man eine so vielgesichtige Ausstellung am zweckmäßigsten besuchen sollte, um trotz der Vielfalt des Gebotenen einen raschen und guten Ueberblick zu gewinnen.

Tatsache ist, daß der Besucher durch die Fülle der ausgestellten Erzeugnisse vorerst eher verwirrt als bereichert wird und sich, in Ermangelung einer bestimmten Richtlinie, oftmals Dingen zuwendet, die Massenanziehungspunkte darstellen. Wenn man jedoch eine Halle betritt, dann sollte man sich von vornherein darüber klarwerden, wie man am systematischesten und rationellsten möglichst an jeden Stand herankommt und sich dabei nicht von weiterabliegenden Ständen, die im Moment die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ablenken lassen, da man dadurch nur aus dem Konzept gebracht wird. Gerade den Kleinigkeiten auf dem Kraftfahrzeugzubehörständen sollte das Interesse zugewendet werden, denn sie sind es im allgemeinen, die sich der Kraftfahrer leisten kann und die ihm wirklich von Nutzen sein können, indem sie ihm Zeit, Geld und Aerger sparen helfen. Vorsicht ist überall dort geboten, wo mit Schlagwörtern Dinge angekündigt werden, die etwa enorme Verbrauchsverminderungen, überdurchschnittliche Leistungssteigerung usw. verheißen. In der Kraftfahrt gibt es keine „Wunder“, sondern nur systematische Entwicklung.

Der dem Kraftfahrzeug gewidmete Teil der Messe ist gut beschickt. Allen Interessierten wird befriedigendes Material geboten. Die Zweiradausstellung ist natürlich vor allen Dingen dem Kleinstfahrzeug, dem Moped, gewidmet. Ihre Besucher, „kleine Leute“, sind viel kritischere Käufer als etwa jene, die sich überlegen, ob sie für ein Fahrzeug 70.000 oder 100.000 S ausgeben sollen. Aber auch die Freude des kleinen Mannes bei der Anschaffung eines ersten Mopeds, Rollers oder Motorrades ist erfahrungsgemäß größer als die Freude am zehnten Straßenkreuzer, der nach einem bestimmten Schema etwa jedes Jahr gegen einen neuen ausgetauscht wird. Die Zweiradausstellung weist daher unter Umständen einen wesentlich höheren ideellen Wert auf als ein Automobilsalon. Darüber hinaus wird eine solche Schau prozentuell meist von technisch wesentlich besser geschulten, aber auch interessierten Personen besucht als etwa ein Automobilsalon. Daß praktisch jeder Besucher der Zweirad- und Zubehörausstellung auch als Käufer in Frage kommen kann, verleiht ihr einen entsprechend großen Wert.

Innerhalb der Internationalen Zweirad- und Zubehörausstellung wird nicht nur der bereits vor Beginn der Wiener Frühjahrsmesse vorgestellte Moped-Roller „S i s s y" vo,n Lohner gezeigt, über dessen hervorragende Konstruktion wir bereits berichteten, sondern auch K T M bringt ein neues Fahrzeug dieser Kategorie: den „Mecky“. Diese Firma, übrigens die zweitgrößte österreichische Motorradfabrik und- bekannt durch ihre wirklich guten Erzeugnisse, brachte nun zu dem bereits seit längerem auf dem Markt befindlichen KTM-Roller „Mirabell“ einen Moped-Roller heraus. Interessant ist hier die Parallele zu Lohner. Beide Firmen widmeten sich der gleichen Idee und kamen mit sehr hübschen und brauchbaren Erzeugnissen heraus, wobei Lohner insofern den Vogel abgeschossen haben dürfte, als es sich bei seinem Moped- Roller „Sissy“ um ein ausbaufähiges und variables Fahrzeug für zwei Personen handelt, das noch dazu führerscheinfrei gefahren werden kann, während der neue KTM-Moped-Roller „Mecky“ einsitzig und nicht ausbaufähig ist. Dies soll jedoch keine grundlegende Bewertung oder gar Kritik sein, denn jeder Zweck erfordert ein anderes Gefährt, und so stehen die Chancen für KTM um nichts schlechter Dies um so mehr, als es sich beim „Mecky“ um ein bildsauberes Fahrzeug handelt, das — und das wollen wir hier besonders feststellen — von keinem deutschen Fahrzeug auch nur annähernd erreicht wird. Geschmack und Können verbanden sich hier zu einer sehr hübschen und ansprechenden Konstruktionseinheit. Dieser neue Moped-Roller ist sehr gut gefedert. Er besitzt vorn und hinten, ebenso wie der Lohner-Moped-Roller, eine Langarmschwinge, nur daß man als Federelement Gummi verwendet. Diese Federung ist als wartungsfrei anzusehen. Eine Schürze und große Kotbleche sorgen für maximalen Schutz vor Verschmutzung des Fahrers. Der Motor, Eigenbau von KTM, ist gebläsegekühlt und liegend angeordnet, wodurch er minimalsten Raum beansprucht und so gut wie „unsichtbar" ist. Beschmutzung des Fahrers an Motorteilen, wie Vergaser, Kette usw., ist vollkommen ausgeschlossen. Der 50-ccm-Zweitaktmotor gibt eine Leistung von 2,1 PS ab, wobei er eine Höchstgeschwindigkeit bis — wie vorgeschrieben — 40 km/h entwickelt.

Der KTM - Moped - Roller bewältigt, laut Werkangabe, ohne Mittreten 28 Prozent Steigung und stellt damit wiederum ein Fahrzeug dar, das dem österreichischen Terräin in je'dem Einsatzgebiet gewachsen ist.

Erwähnenswert erscheint uns noch die Tatsache, daß das Fahrzeug ebenso wie der neue Lohner-Moped-Roller auch ein vom Lenker aus zu schaltendes Dreiganggetriebe besitzt. Allmählich scheint auch auf dem Mopedsektor das Zweiganggetriebe durch das Dreiganggetriebe vertrieben zu werden. Richtiger vielleicht: Das Moped entwickelt sich nunmehr aus einem Provisorium immer mehr zu einem Hochstand der Entwicklung. Es wird in Oesterreich mit einer Liebe und Sorgfalt geplant, konstruiert und gebaut, über die man sich als Fachmann nur freuen kann. Man gewinnt fast den Eindruck, daß sich in diesen Fahrzeugen all das Können manifestiert, das die hiesigen Konstrukteure auf Grund der Kleinheit Oesterreichs bei größeren Konstruktionen, etwa Pkw., nicht beweisen können.

Der Preis für den KTM-Moped-Roller beträgt 3880S. Wir sind überzeugt, daß sowohl das KTM- als auch das von Lohner ausgestellte Erzeugnis mit gutem Absatz wird rechnen können, denn sie stellen wirklich ideale und vollwertige Zweiradfahrzeuge vor allem für die Jugend, aber nicht weniger -für all jene dar, die finanziell nicht so gut gestellt sind. Diese haben nun Ge legenheit, für relativ wenig Geld komfortable, leistungsfähige und hübsche Fahrzeuge zu erwerben.

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