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Das Moped, eine Fahrzeugkategorie, die es erst seit etwa einem halben Jahrzehnt gibt, ist heute zu einem Gerät herangewachsen, das nicht nur Anerkennung findet, sondern Motorradfabriken vielfach überhaupt lebensfähig erhält bzw. zu einer eigenen Industrie geführt hat, die fast ausschließlich diese Fahrzeugtype fertigt.

Das Moped wuchs seinerzeit aus dem Fahrrad mit Hilfsmotor heraus, einer Kombination, die wir bereits seit Beginn der Motorisierung überhaupt finden. Aelteren Jahrgängen werden sicherlich noch die Fahrräder erinnerlich sein, die über dem Vorderrad einen meist sehr laut laufenden kleinen Motor aufgebaut hatten, der mittels eines Riemens das Vorderrad antrieb und in der Ebene das Treten wohl ersetzen konnte, bei geringen Steigungen jedoch schon das Mittreten durch den Fahrer erforderlich machte. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen aber gab es bereits einige Firmen, die richtige Fahrradhilfsmotoren im großen erzeugten, ja es existierten sogar ein oder zwei Konstruktionen, bei denen der Fahrradhilfsmotor am Fahrzeug bereits von vornherein vorgesehen war, obwohl sich diese Fahrzeuge nicht recht durchsetzen konnten und im Grunde ja doch stets ein mixtum compositum darstellten, das ein Reihe von nicht zu unterschätzender Krankheitert' aufwies. Sie waren wahrscheinlich auch die Ursache dafür, daß man auf diesem Gebiet nicht recht weiterkam, denn es ist verständlich, daß ein gewöhnliches Fahrrad, das man mittels eines Motors antreibt, diese Beanspruchung festigkeitsmäßig nicht lange durchhalten wird. Aus diesen jahrzehntelangen Vorläufern aber hat sich nun in den letzten Jahren das eigentliche Motorpedalfahrzeug, eben das Moped, heraus entwickelt.

In letzter Zeit kann man die Feststellung machen, daß das..Moped eigentlich neue Wege geht und sich immer mehr von seinem anfänglichen Konzept entfernt. Die letzten Konstruktionen auf diesem Gebiet können gar nicht mehr als Moped bezeichnet werden, denn die letzte Type, wie wir sie bei Puch feststellen können, weist keine Pedale mehr auf, sondern ist eigentlich ein ausgesprochenes Kleinstmotorrad geworden. Sie sind deshalb auch nicht mehr führerscheinfrei. Puch nennt das neue Gefährt nicht Puch-Moped, sondern fügt dieser Bezeichnung „Roller“ hinzu, wodurch sich nunmehr die Bezeichnung Puch-Moped-Roller MSK 50 ergibt. Dieses neue Fahrzeug weist u. a. einen vollkommenen Schmutzschutz auf, besitzt also ebenso wie ein Roller eine Knieschürze mit Unterzug und hat den Motor fast vollständig verkapselt. Statt der Pedale ist es nunmehr mit einem Kickstarter ausgestattet und somit eigentlich aus der Mopedfamilie ausgeschieden. Nicht betont muß werden, daß das Fahrzeug eine Hinterradschwinge besitzt und vorn Teleskopfederung aufweist. Sämtliche österreichischen Mopedkonstruktionen sind, was den Fahrkomfort anbelangt, interessanterweise mit teureren Maschinen zu vergleichen. Beim Vergleich zu ähnlichen deutschen Schöpfungen kann man die Feststellung machen, daß Oesterreich bis vor kurzem um einige Schritte voraus war. Neuerdings ist man allerdings auch in Deutschland schon so weit, daß die meisten Mopeds eine Hinterradfederung aufweisen, wovon allerdings bis vor einem halben oder dreiviertel Jahr noch keine Rede sein konnte.

HMW, die Halleiner Motorenwerke, brachten ebenfalls vor kurzem ihre neuen Modelle auf den Markt. Auch hier wieder ist eine Konstruktion zu erwähnen, die sich vom Ur-gedanken des Mopeds entfernt. Es handelt sich hierbei um das HMW-Moped Super-Sport Typ 500 SS/2. Dieses Fahrzeug ist nach seinem gesamten Aeußeren ein ausgesprochen sportlich gebautes Kleinstmotorrad, obwohl es noch Tretkurbeln besitzt. Linienführung und Ausstattung des Fahrzeuges sind ansprechend, und wir können uns vorstellen, daß dieses Fahrzeug mit seiner netten Sitzbank, seinem sportlich geformten Tank und, wie erwähnt, der rassieen Gesamtkonstruktion die motorbegeisterte Jugend wirklich ansprechen dürfte.

Wenn man überlegt, daß diese Fahrzeuge mit Maschinen betrieben werden, die nicht ganz 50 Kubikzentimeter aufweisen, dabei aber, wie etwa das Puch-Moped, 2,3 PS oder cfes HMW-Moped 2,2 PS leisten und ohne Mittreten im ersten Gang ein Steigvermögen zwischen 20 und 23 Prozent entwickeln, dann muß man sich darüber wundern, was die Motorindustrie in den letzten Jahren geleistet hat. Dabei ist die Lebensdauer dieser Maschinen durchaus nicht kurz. Selbstverständlich weist ein modernes Motorrad heute ein Zweiganggetriebe auf, das mittels eines Drehgriffs durch die linke Hand leicht und angenehm zu schalten ist.

Die Tendenz, die Mopeds allmählich zu sehr komfortablen kleinen Motorrädern umzugestalten, tritt vor allem bei Firmen zu Tage, die hauptsächlich Mopeds fertigen. Wir sind der Meinung, daß in nicht allzu ferner Zeit die 175-und 200-Kubikzentimeter-Maschinen zu den schweren Einheiten der Motorräder zählen werden, während die Maschinen, die diese Stellung heute einnehmen, nämlich die 3 50- und 500- bis über 600-Kubikzentimeter-Konstruktionen vermutlich überhaupt aus dem Verkehr und damit aus der Produktion verschwinden werden. Sicher-' lieh wird es auch später noch Firmen geben, die für spezielle Sportveranstaltungen oder Einsatzgebiete wie etwa Militär, Polizei usw so schwere Maschinen fertigen werden. Obwohl immer noch Neuanschaffungen an Beiwagenmaschinen stattfinden, wird auch diese Fahrzeugart immer spärlicher, da sie durch den Kleinst- bzw. Kleinwagen stark verdrängt wird, die ihr die Lebensberechtigung durch höheren Komfort und meist nur geringe Mehrkosten genommen haben. Diese Tendenz läßt sich am besten an dem Mangel an Aufträgen erkennen, unter dem sämtli:he Beiwagenerzeuger zu leiden haben. Dies ist insofern bedauerlich, als gerade sie es waren, die in die Entwicklung dieser Fahrzeugkategorie nicht wenig investiert haben und heute mit ihrem technischen Wissen und Können nur wenig anfangen können, denn vor allem der Geldmangel ist es, der sie daran hindert, auf die Erzeugung von Kleinstwagen umzusatteln.

Die Entwicklung verläuft heute in Europa ähnlich wie in Amerika, wo das Zweirad ausschließlich der Jugend und dem ausgesprochenen Sport vorbehalten ist. Ansonsten wird auch bereits bei uns bald ausschließlich nur noch zweispurig gefahren werden. Wir können heute bereits neugierig sein, in welcher Richtung sich das Moped und das sich auch in Italien größter Beliebtheit erfreuende Kleinstmotorrad in den nächsten Jahren entwickeln wird.

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