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Sport und Gymnastik vor dem religiösen und moralischen Gewissen
AUS DER ANSPRACHE VON PAPST PIUS XII. AUF DEM ITALIENISCHEN KONGRESS FÜR SPORT UND PHYSISCHE ERZIEHUNG AM 8. NOV. 1952
AUS DER ANSPRACHE VON PAPST PIUS XII. AUF DEM ITALIENISCHEN KONGRESS FÜR SPORT UND PHYSISCHE ERZIEHUNG AM 8. NOV. 1952
„Alles, was dazu dient, einen bestimmten Zweck zu erreichen, muß seine Regel und sein Maß von eben diesem Zweck her bekommen. Nun haben aber Sport und Gymnastik als ihren nächstliegenden Zweck die Erziehung, Entwicklung und Stärkung des Körpers mit seinen statischen und dynamischen Kräften. Dies soll aber, und das ist der weitere Zweck, der Seele die Möglichkeit geben, den so geschulten Körper zu benutzen, um das innere und äußere Leben der Persönlichkeit zu entwickeln. Tiefer gesehen, sollen Sport und Gymnastik zur Vervollkommnung der Person beitragen und so letztlich den Menschen seinem Gott, dem höchsten und allgemeinen Ziel des Menschen und überhaupt jeder menschlichen Tätigkeit, näherbringen.
Gegründet auf solchen Prinzipien, verlangt das religiöse und sittliche Gewissen, daß in der Einschätzung des Sports und der Gymnastik, in der Beurteilung der Person des Sportlers, in der Bewunderung, die man ihren Leistungen zollt, als grundlegendes Kriterium die Beobachtung dieser Hierarchie der Werte zur Annahme gelangt, so daß die größte Wertschätzung nicht dem zuteil wird, der die stärksten und gelenkigsten Muskeln hat, sondern dem, der auch die größte Fähigkeit und Bereitschaft zeigt, dieselben dem Befehl des Geistes zu unterwerfen. Eine zweite Forderung der religiösen und sittlichen Ordnung verbietet, auf Grund derselben Werteskala, im Fall des Konfliktes die unantastbaren Belange der Seele auf Kosten des Körpers zu opfern... Eine dritte Erfordernis bezieht sich auf die Stellung, die dem Sport im Gesamtrahmen der menschlichen Betätigung zukommt. Es handelt sich also hier nicht mehr darum, Körper und Seele in Betracht zu ziehen und zu bewerten innerhalb der Grenzen des Sports und der Gymnastik, sondern darum, diese letzteren in den viel weiteren Rahmen des Lebens hineinzustellen und zu untersuchen, welcher Wert ihnen zuerkannt werden soll... Den Sport, die Gymnastik, die Rhythmik mit allen ihren Nebenbetätigungen zum höchsten Lebenszweck zu erheben, wäre wahrlich viel zu wenig für den Menschen, dessen eigentliche Größe weit erhabenere Zielsetzungen, Neigungen und Gaben ausmachen. Es ist darum Pflicht aller Sportler, diese rechte Auffassung vom Sport zu bewahren; nicht deswegen, um die Freude, die sie durch ihn gewinnen, zu trüben oder zu vermindern, sondern um sie vor der Gefahr zu bewahren, höhere Pflichten in bezug auf ihre Würde und auf die Achtung vor Gott und vor sich selbst zu vernachlässigen.
In der täglichen Tätigkeit möge es euch genügen, euch daran zu erinnern, daß jede menschliche Handlung (oder Unterlassung) unter die Vorschriften des Naturgesetzes, der positiven Gebote Gottes und der zuständigen menschlichen Autorität fällt... Gebt vor allem Gott die Ehre, die ihm gebührt, und haltet insbesondere den Tag des Herrn heilig, denn der Sport entbindet nicht von den religiösen Pflichten... Ebenso erinnert das vierte Gebot, in dem der Schöpfer die Harmonie im Schoße der Familie ausdrücklich schützen will, an die Treue gegenüber den Familienpflichten, die den vermeintlichen Forderungen des Sports und der Sportvereine vorangesetzt werden müssen. Die göttlichen Gebote schützen auch das eigene und das fremde Leben, die eigene Gesundheit und die des anderen, die nicht unbesonnen durch Gymnastik und Sport einer ernsten Gefahr ausgesetzt werden dürfen. Aus ihnen erhalten auch jene Gesetze ihre Kraft, die schon den Athleten des Heidentums bekannt waren und die auch die echten Sportsleute im Spiel und in den Wettkämpfen gerechtermaßen für unverletzlich halten. Überdies sind sie Ehrensache: Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Ritterlichkeit; deshalb schrecken sie auch vor der Anwendung von List und Betrug wie vor einem Schandfleck zurück; der gute Name und die Ehre des Gegners sind ihnen genau so teuer und der Achtung wert als der eigene... Das bedeutet kurz gefaßt die Formel: Wollt ihr anständig sein beim Tumen, Spiel und Sport, so haltet die Gebote — die Gebote in ihrem objektiven, einfachen und klaren Sinn.“
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