Ewig junge Großmutter

19451960198020002020

Die Kunst der Retusche bei Porträts von Kaiserin Elisabeth. Eine Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek.

19451960198020002020

Die Kunst der Retusche bei Porträts von Kaiserin Elisabeth. Eine Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek.

Werbung
Werbung
Werbung

Daß die Poträtsammlung der österreichischen Nationalbibliothek über eine große Zahl von Graphiken und Photographien verfügt, die Kaiserin Elisabeth zeigen und ihr Leben illustrieren, wird nicht weiter verwundern. Wo sonst, abgesehen vom Privatbesitz, würde man dergleichen suchen? Es sind etwas über 700, unterschiedlich in der Technik und in der Qualität. Vieles ist aus den zahlreichen Publikationen über Elisabeth bekannt, und sicherlich hat schon mancher darüber geschmunzelt, daß der Kaiserin anscheinend ewige Jugend verliehen war, während Franz Joseph an ihrer Seite zum würdigen Greis wurde.

Diese Beobachtung kristallierte sich bald als einer der beiden tragenden Aspekte heraus, unter denen das Material für die Ausstellung "Elisabeth Kaiserin von Österreich. Wunschbilder oder die Kunst der Retusche" gesichtet werden sollte. Der zweite war die Tatsache, daß Elisabeth über die Maßen öffentlichkeitsscheu war und sich ab ihrem vierten Lebensjahrzehnt mit Schirm, Fächer und Schleier vor neugierigen Blicken im allgemeinen und denen der Photographen im besonderen zu verbergen wußte, ungeachtet dessen aber so viele Bilder (auch Photographien!) existieren, Die Überraschung war groß: Es stellte sich bald heraus, daß selbst in durchaus achtbaren Werken über Elisabeth Bilder zu Illustrationszwecken kritiklos als das angenommen wurden, was sie zu sein vorgaben, aber nicht waren. Dazu kommt noch eine heillose Verwirrung und Verwechslung der Schwestern aus dem Haus "in Bayern": Helene, Elisabeth, Sophie und Mathilde, die einander ja tatsächlich sehr ähnlich sahen und in Kleidung beziehungsweise Frisur kopierten, wobei die schöne Kaiserin den Ton angab.

In diesem Sinn ist die Ausstellung ein Stück historischer Quellenkritik, soferne man anerkennt, daß Bilder historische Quellen sind und daher genauso auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen sind wie etwa schriftliche Zeugnisse der Vergangenheit. Daß die letzteren irren, täuschen, lügen, subjektive "Wahrheiten" verbreiten, daran wird niemand zweifeln, aber historische Photographien? Die Ausstellung beweist es und noch dazu, daß eine so ernste wissenschaftliche Sache wie Quellenkritik äußerst amüsant sein kann.

Schon das erste Photo - ein wertvolles Unikat - wurde verwendet, um eine Elisabeth zu zeigen, die es nicht gab. Der Photograph Alois Löcherer nahm in München ein nicht einmal noch 15jähriges Halbkind, das sich unwillig und gelangweilt der Prozedur im Atelier unterwarf, auf. Dieses junge Mädchen war noch keineswegs schön, aber bald darauf die Braut des österreichischen Kaisers Franz Joseph, eine Tatsache, die für beide Familien höchst überraschend war, denn eigentlich sollte die ältere Schwester, Helene, diese Stellung einnehmen. Von der Kaiserbraut brauchte man Bilder. Die billigste Art, diese als Massenware zu erzeugen, war die Lithographie. Als Vorlage diente das erwähnte Photo. Der Lithograph gab sich alle Mühe, das Ergebnis war dem Photo völlig ähnlich. Aber Franz Joseph war empört und fand, man habe seiner lieblichen Sisi ein "Mohrengesicht" verpaßt. Der Lithograph machte sich an die Arbeit, und zwei weitere Varianten zeigen, wie der Gesichtsausdruck des Mädchens sich veränderte und immer mehr den Erwartungen entsprach, die man in eine Kaiserbraut setzte.

Bekanntlich war Elisabeth in Wien nicht glücklich: Franz Joseph hatte zu wenig Zeit für sie, die Schwiegermutter und zugleich Tante (Schwester von Elisabeths Mutter), Erzherzogin Sophie, meinte, sie erst zu einer Kaiserin heranziehen zu müssen, dazu drei Schwangerschaften zwischen dem 17. und dem 21. Lebensjahr. Bis dahin brauchte sie, um sich von den Zwängen zu befreien, um sich ihrer Schönheit - und sie war inzwischen schön geworden - bewußt zu werden und kraft dieser Schönheit ihren Willen bei Franz Joseph durchzusetzen. Und genau von da an begab sie sich ins Photoatelier und ließ sich photographieren - ein Jahrzehnt lang, von 1859/60 bis 1868/69. Alles was danach als Photographien Elisabeths verbreitet wurde, ist manipuliert, das heißt. das Werk mehr oder weniger begabter Retuscheure.

Die Ausstellung zeigt, daß mitunter ganze "Stammbäume" solcher Bilder rekonstruiert werden können, wenn zum Beispiel eine echte Photographie als Vorlage für eine Retusche diente, das retuschierte (neue) Photo als Vorlage für eine Tuschemalerei, die dann wieder photographiert und als Photo vertrieben wurde. Ein anderes Beispiel: Elisabeth ließ sich mit einem ihrer Lieblingshunde, dem Irischen Wolshund Horsegard, im Atelier Rabending photographieren, ein Graphiker wollte aber Elisabeth ohne Hund verbreiten. Er nahm einen Ausschnitt und "entfernte" die Hundeleine aus der Hand der Kaiserin, ohne die Handhaltung zu verändern. Der nächste Künstler, ein Photograph, drückte ihr - mittels Retusche - ein Lorgnon in die Hand.

Damit nicht genug: Alle Photos, die das Kaiserpaar zusammen zeigen, sind Montagen. Elisabeth ließ sich mit ihm nicht photographieren, und genau so wenig mit den Kindern. Daß die Öffentlichkeit aber gerade nach solchen "Wunschbildern" heilen Familienlebens Sehnsucht hatte, stellte die Medien vor Aufgaben, die sie nur trickreich lösen konnten.

Die Ausstellung schärft den Blick dafür, wie es gemacht wurde, daß die Kaiserin erst mit ihren Kindern und dann als - ewig junge - Großmutter mit den Enkelkindern auf Photographien zu sehen ist. Die Präsentation zielt aufs Schauen und nicht aufs Lesen. Die Texte helfen lediglich, die echten und die gefälschten Photos in den Lebenslauf der Kaiserin einzuordnen.

Bis 26. April Neue Hofburg, Heldenplatz, 1010 Wien Die Autorin ist Direktorin der Porträtsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung