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„Eine unzulässige Erklärung“

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Diese Worte des Bischofs von San Sebastian, die von den Kirchenkanzeln in der ganzen Provinz Gui- puzcoa herab verlesen wurden, entfachten einen Entrüstungssturm bei hohen Regimevertretem und dem Großteil der spanischen Presse, vor allem den Zeitungen der „Nationalbewegung“ und der Einheitsgewerkschaft. Der Militärgouvemeur von Madrid, General Iniesta Cano, qualifizierte den Hirtenbrief als „eine unzulässige Erklärung“. Die gewerkschaftseigene Abendzeitung „Pueblo“ meinte, daß der vom Bischof gewählte Weg nicht der geeignetste war, das Falange-Organ „Arriba“ behauptete, daß sich deir Bischof von San Sebastian Machtbefugnisse herausgenommen habe, die er nicht besitze, und daß „Klöster als Zufluchtstätten für Mörder und Geheimdepots für Waffen und subversives Material gedient haben“.

Gewiß, man könnte anführen, daß der dermaßen angegriffene Bischof aus eigenem und ohne vorherige Benachrichtigung der Bischofskonferenz gehandelt habe und daß die Unverletzlichkeit kirchlicher Gebäude in Artikel XXII des Konkordats aufgehoben wird, wenn es „in schweren Fällen zum öffentlichen Wohl, besonders in Kriegszeiten, notwendig wäre, eines der oben erwähnten Gebäude zu besetzen". Ob diese Notwendigkeit bestand, bleibt vorerst dahingestellt. Diese Frage müßte zwischen dem spanischen Staat und dem Heiligen Stuhl am ehesten, auf direktem Weg geklärt werden.

Zwei Zauderer

Überhaupt müßte der ganze Komplex des Konkordats einer Revision unterzogen werden, um derartige Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden und, was auf die Dauer unaufschiebbar ist, diesen Vertrag den heutigen Gegebenheiten anzupassen.

Aber sowohl von spanischer als von Vatikanseite scheint man keine sonderliche Eile zu haben. Spaniens Botschafter beim Vatikan, Garrigues, hat, soviel man weiß, bisher nur unverbindliche Vorgespräche in Rom geführt. Und von kirchlicher Seite dürfte kein großes Interesse an der Aufgabe von Privilegien bestehen, die der spanischen Geistlichkeit nach zweijährigen Verhandlungen im Konkordat eingeräumt wurden. Diese offenbare Unlust des Vatikans dürfte vor allem ökonomische Motivierungen haben. Denn außer der Unverletzlichkeit kirchlicher Gebäude und der Wehrpflichtbefreiung des Klerus werden Geistliche aus dem spanischen Staatssäckel bezahlt. Darüber hinaus leistet der Staat auch große Zuschüsse bei Kirchen- und sonstigen religiösen Bauten.

Aber auch der spanische Staat dürfte an der Beibehaltung dieser oder wenigstens eines Teils dieser Privilegien interessiert sein. Denn sie bringen die spanische Geistlichkeit in direkte Abhängigkeit vom Regime, zu dessen Stützen die Kirche — trotz der Kritik des Bischofs von San Sebastian und der oft offenen Opposition eines großen Teils vor allem des jungen Klerus — noch immer gehört.

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