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„ ohne einen Schuß!“

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Wettertrupp Haudegen. Eine deutsche Arktis-Expedition. 1944 45. Von Wilhelm D e g e.

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Wettertrupp Haudegen. Eine deutsche Arktis-Expedition. 1944 45. Von Wilhelm D e g e.

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F. A. Brockhaus, Wiesbaden. 297 Seiten.

Der ehemalige Volksschullehrer Wilhelm D e g e aus Bochum studierte neben seinem Beruf Erdkunde und Geologie und promovierte 1938 mit einer beachtenswerten Arbeit über Nordspitzbergen. Es war ihm 1935 36 gelungen, aus eigenen Mitteln kleinere Forschungsreisen in Spitzbergen durchzuführen, die in Fachkreisen großes Interesse fanden. Der Krieg sollte den Wissenschaftler an die Spitze einer militärischen Expedition setzen, die in der Geschichte des zweiten Weltkrieges eine einmalige Charakteristik verdient. Der moderne Luftkrieg, aber auch die Sicherung der Geleitzüge und U-Boote forderten von allen beteiligten Mächten genaue Wettermeldungen, deren Grundlagen nur durch Beobachtungen in der Arktis zu erhalten waren. Zu diesem Zwecke rüsteten Deutsche, Engländer und Russen immer wieder Expeditionen aus, die in Spitzbergen an Land gingen, um in der Einsamkeit der Polarnacht, verlassen von ihrer Heimat, der wissenschaftlichen Erstellung der Wettermeldungen, allerdings für die Kriegführung, zu obliegen. Deshalb konnten diese Expeditionen mit einer unwahrscheinlichen und reichen Unterstützung rechnen. Denn der Krieg kannte nicht die Hemmungen in materiellen Fragen, die in Friedenszeiten immer gegenüber den Anliegen der Wissenschaften auftreten.

Mit elf ausgezeichnet geschulten Gefährten wurde Dr. Dege im Sommer 1944 im äußersten Winkel der Spitzbergischen Inselgruppe, der Wordiebucht, von einem Sonderkommando unter U-Boot-Begleitung abgesetzt. Ihr Auftrag war, täglich mehrmals Wettermeldungen nach Tromsö zu funken und damit die Unterlagen für den Ein satz der U-Boote und der Flugzeuge zu erstellen.

Aber aus dieser eintönigen militärischen Bestimmung erwuchs durch die Initiative der beteiligten Wissenschaftler und Soldaten eine Forschungsaufgabe, die ein weiteres Kapitel der Erschließung Spitzbergens bildet. Flora und Fauna, Eisverhältnisse und Klimaschwankungen, dies alles wurde von den Soldaten beobachtet, ebenso wie die geologischen und klimatologischen Tatsachen. Der Trupp „Haudegen“, wie der Deckname lautete, baute seinen dienstlichen Auftrag zu einer wissenschaftlichen Aufgabe um und war nicht gezwungen, auch nur einen Schuß auf den Gegner abzufeuern, den man stets in der Eiswüste vermutete und vor allem auf seiten der Westmächte alte Bekannte der Spitzbergenforschung erwartete. Als der Krieg zu Ende war, übergab Dr. Dege den Norwegern den bereits sagenhaft gewordenen Wettertrupp und kapitulierte am 4. September 1945 als letzte Einheit der deutschen Wehrmacht. Norwegische Polarforscher haben die wissenschaftlichen Aufzeichnungen Dr. Deges bewahrt und sie nunmehr freigegeben. Daraus ist ein Forscherbuch entstanden, welches sich würdig an die klassischen Expeditionsberichte der Erschließung der ewigen Eisregion im Norden anschließt. Der Verlag Brockhaus hat in der Tradition seiner Verlagsplanungen für eine würdige Ausstattung dieses Werkes gesorgt, welches zeigt, laß der Geist echter Wissensrhaft auch im Kriege erstaunliche Früchte tragen kann.

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